Auf "Wüsten"-Pisten im Südwesten

  • Die halbe Nacht habe ich geschrieben und dann bricht das Netzt hier zusammen. Jetzt geht es wieder. Achtung: Festschnallen und was Warmes anziehen. Wir sind schließlich im Death Valley. ;)


    Fr. 07.3.2008
    Death Valley, The Racetrack – Lone Pine über Hunter Mt. Road
    Teil 2


    An den steilen Switschbacks zum Hunter Mt. hinauf liegt etwas Altschnee zwischen niedrigem Buschwerk.


    Escalante macht Fotos von seinem „Ersten Schnee“ im Death Valley. „Och, da wird wohl noch etwas mehr kommen!“, höre ich mich orakeln. Es ist jetzt 12:22 Uhr. Zwei Stunden haben wir uns also für dieses Stückchen seit Teakettle Junction Zeit gelassen.


    12:28 Uhr: Ein großer Felsbrocken zwingt uns nah am Abgrund vorbei. Es ist eine in vielerlei Hinsicht erlebnisreiche Fahrt.



    Erste Schneezungen lecken an der Fahrbahn.


    Wir fahren absichtlich in die Schneereste, um zu sehen, was unsere Jeeps so drauf haben.


    13:09 Uhr: Über eine halbe Stunde haben wir in den Schneeresten gespielt, dabei ist nur ein Stückchen weiter, die ganze Straße voll davon. Nichts wie rein in das Vergnügen.



    Per Funk feuern wir uns gegenseitig an, wenn es der Wagen bzw. Fahrer nicht im ersten Versuch schafft, die leichte Anhöhe zu bewältigen. Dann versperrt eine riesige Pfütze uns den Weg. Wir können nicht abschätzen, wie tief sie ist. Sollten wir wegen solch einer dämlichen Pfütze umkehren müssen? Nie!! Außerdem würde Escalante seinen teuer bezahlten und heiß ersehnten Fotokurs unter prominenter Leitung nicht mehr rechtzeitig erreichen. Es ist jetzt immerhin 13:22 Uhr.


    Escalante findet eine Umfahrung durchs Gelände. Es kann weitergehen.!



    „Freitag, 7. März 2008, 13:20:50“ sind die Daten meines letzten Fotos von diesem Tag:



    Hinter der Pfütze gibt es eine Anhöhe, wie auf dem Bild von vorhin. Die gehen wir mutig an. Mein kleiner Oliver will das Hügelchen aber nicht so recht schaffen. Mal vor, dann wieder zurück und wieder vor, so geht es hin und her. Escalante hat den einen oder anderen hilfreichen Tipp aus einem kürzlich abgeleisteten 4Wheel-Kurs.


    Mit seinem schwereren Commander würde er in den Spuren meines Liberty das Hügelchen leicht schaffen, glaubt er und ich ihm auch und mache mich auf, „den Fehler meines Lebens“ zu begehen: Ich fahre was der olive Teufel hergibt, um nicht erneut stecken zu bleiben und den großen Commander aufzuhalten.


    An einer Kuppe verlassen den Oliven die Kräfte. Wir blieben im Schnee stecken. Auch die Escalante-Tipps aus dem 4Wheel-Kurs versagen.


    Ich nutze die Wartezeit auf Escalante, mit meiner neuen Schaufel für 7,95 $ aus dem Wal Mart, mein Auto vom Schnee zu befreien. Aber Escalante kommt nicht.


    Inzwischen habe ich, soweit meine leider viel zu kurze Schaufel reicht, den Oliven unten herum vom Schnee befreit. Aber er scheint es sich so richtig auf dem Schnee gemütlich gemacht zu haben und lässt seine vier Beine baumeln. Er hat sich auf den Schnee draufgesetzt.


    Mir fehlt jedes Zeitgefühl: Escalante kommt nicht. Ohne seine neue lange Schaufel aus dem Wal Mart für 3.95 $ komme ich nicht weiter. Wo bleibt er nur? Ob???? Nein!!!!


    Mein GPS zeigt, dass ich 5,2 Meilen von der Einmündung der Saline Valley Rd. in die Hunter Mt. Rd. entfernt stehe. Ich laufe zurück.


    An der Stelle, an der der Olive seine ersten Schwächen zeigte, steht der Commander mit seinem stinksauren Commander. Ich hätte nicht abhauen dürfen! Recht hat er! Ich hätte bleiben müssen. Und ich hätte ihm die Kletterkünste seines Commanders nicht glauben dürfen! Escalantes GPS zeigt 6 Meilen bis zur Saline Valley Rd.


    Wir schaufeln nicht mehr einsam, sondern jetzt gemeinsam. So langsam, aber wirklich ganz, ganz, ganz langsam, akzeptiert mein Hirn, dass wir diese Situation mit Schaufeln nicht bewältigen werden. Ich lege Denkpausen ein, die Escalante als Drückeberger-Pausen sehen muss. Man sieht es mir so schlecht an, wenn ich mir das Hirn zermartere.


    Schaufeln allein bringt nichts. Da bin ich mir sicher. Gestrüpp muss her. Wir pflücken Gestrüpp und legen es unter. Als ich mit Escalantes Schaufel dessen Anfahrbemühungen unterstützen will, wird die Schaufel ganz einfach unter dem linken Vorderrad durchgezogen. Somit steht fest: Auch der Commander lässt die Beine baumeln.


    Steine! Steine müssen her! Wir sammeln Steine. Aber es gibt kaum welche! Die meisten sind wohl eingeschneit. Wir buddeln welche aus und pressen sie vor und hinter die Räder.


    Das Ganze ist völlig wirkungslos. Der Commander ist inzwischen so arrogant, nicht einmal mehr die Räder zu drehen. O.k., er lässt schließlich ohne Bodenberührung die Beine baumeln. Wozu dann sinnlos die Räder drehen?


    Diese einfache Erkenntnis akzeptiere ich mehr und mehr. Unsere Autos sitzen nicht fest, sie sitzen auf! Da können wir buddeln, wie die Weltmeister. Die kriegen wir nie mehr frei!


    Nach einer schüchternen Äußerung dieser möglichen Wahrheit – ich will es ja selbst nicht wahrhaben – spornt Escalante mich an, weiterzumachen. Welche Chance haben wir sonst? Recht hat er! Weitermachen!


    Wir kommen überein, es an dem kleinen Oliven zu probieren. Der ist
    1. ja „schon fast oben“ und
    2. viel kleiner. Und
    3. würde der Große an dem Kleinen ja gar nicht vorbei kommen, weil der Kleine mitten im Weg steht.


    Wir laufen die knappe Meile zum Oliven und Schaufeln und schleppen Steine und pflücken Gras. Inzwischen „zieht es an“ und der Schnee wird hart und härter. So hart, dass wir schließlich keine Chance mehr sehen, den Kleinen freizuhacken.


    Ich mache mir im Stillen Vorwürfe, diesen Hunter Mt. Weg gewählt zu haben. Escalante unterstützt mich dabei weniger still. Sein teurer Fotokurs im Ar…. Ja, er wollte den anderen Weg fahren, aber ich…


    Auf keinen Fall Streit! Noch sind wir „nur“ in einer unbequemen Situation. Wir brauchen jedes Körnchen Kraft, dass aus dieser unbequemen Situation keine lebensbedrohliche wird. Nichts verschwenden, nichts vergeuden!


    Aber ich denke nur noch. Sprechen geht schon lange nicht mehr. Der Mund ist ausgedörrt, die Lippen aufgeplatzt, die Zunge geschwollen wie die Hände. Aber nichts tut weh.


    Denken geht noch! Wirklich! Doch nur ich weiß es. Ich sage ja kaum noch was. Körner sparen.


    Es wird bald dunkel. Jetzt denken wir beide laut:
    1. Schaufelei sofort drangeben. Es ist sinnlos und wir brauchen unsere Kräfte.
    2. Von unserem Standort sind es bis zur Saline Valley Rd. 5,2 mi bzw. 6 mi.
    3. Bis dorthin ist den Höhenmetern nach weiterhin mit Schnee zu rechnen.
    4. Von der Saline Valley Rd.-Einmündung bis zur SR 190 sind es weitere 14 Meilen.
    5. Es besteht Hoffnung, ab der Saline Valley Rd. auf Menschen zu treffen, die uns nach Lone Pine oder wer-weiß-wohin bringen können, damit wir Hilfe alarmieren können.
    6. Im ungünstigsten Fall müssen wir 20 Meilen, also 36 km bis zur SR 190 laufen, bevor wir auf Menschen treffen.
    7. Abmarsch nach Sonnenaufgang (6:00 Uhr?), weil dann auf den ersten sechs Meilen (10 km) der Schnee noch hart ist.


    Resümee:
    - Wir haben etwas zu essen dabei. Damit kommen wir lange aus und Essen ist nicht akut lebensnotwendig.
    - Es ist genug zu Trinken da. Tagsüber schmilzt der Schnee. Es besteht keine Gefahr.
    - Wir haben gute Schlafsäcke, die uns vor der Kälte schützen.
    - Risiko: Wenn erneut Schnee fällt, was dann? Hier, im Todestal, ist anscheinend alles möglich.


    Escalante marschiert zu seinem Commander. Ich mache mich „bettfertig“. Eine Flasche Budweiser soll mich entspannen. Tut sie aber nicht. Ich platze vor Blutdruck und schütte den Rest weg. Essen geht auch nicht.


    Flugzeuge kommen und gehen. Ich morse mit meinen Scheinwerfern S-O-S. Sie müssten es eigentlich sehen, aber werden sie es Ernst nehmen?


    Angenehme Gedanken machen. An meine liebe Frau denken. Sie wird sich Sorgen machen. Gute Nacht mein Schatz.

  • Oh Mann, Heinz.


    Das ist ein Krimi. Unglaublich.


    Bloss gut dass wir schon wissen dass es gut ausgeht, sonst würde ich jetzt noch mehr bangen um Dich.
    Ich hoffe die Nacht wird nicht zu kalte und ihr müsst nicht wirklich die ganzen Meilen zu Fuss laufen.

    Gruss Kate
    +++++++++
    On Tour:
    2000-09: 7xUSA West & Kanada
    2000-10: D,F,I,GR,MC,E,AND,L,A,HR
    2011: D, GB, HR-MNR-BiH, I
    2012: Inselhopping HR (Pag, Rab, Cres, Losinj)
    2013: Dalmatien & BiH im Mai/ Süd-Norwegen im Juli/August

    • Offizieller Beitrag

    Heinz, an Dir ist ein Kishon und ein Durbridge verloren gegangen.
    Fesselnd und ironisch zugleich, wie Du schreibst.:!!


    Jetzt bekomme ich schon ein schlechtes Gewissen, dass ich das
    vorher nicht so ernst genommen habe. Aber Eure Situation
    ist wirklich ernst.

  • Tja, die alte Story! :pfeiff:


    Ein festgefahrenes Fahrzeug "ausgraben" zu wollen, funktioniert selten genug. Auch wenn man es immer wieder zu hören und lesen bekommt - so vorzugehen ist falsch. Hab ich am eigenen Leib erleben müssen. (Es ist schon erstaunlich, wie lange sich solcher Mist in einschlägigen Publikationen und Unterweisungen hält!)


    Aber man kann ja lernen!


    Es gibt nur eine sinnvolle Methode und die heisst "Anheben". Hochwuchten der gesamten Fuhre, festes Material unter die Räder unterbauen. Das hilft, wie jeder kundige local bestätigen kann.


    Dumm nur, dass man das mit dem Bordwagenheber kaum oder garnicht realisieren kann. Ein Zusatzwagenheber, am besten hydraulisch! - muss her! Wo ansetzen? Idealerweise dort, wo es auf dem direkten Weg das Rad hebt, also an der Felge selbst. Geht das? Aber sicher - zumindestens bei fast allen Fahrzeugen! Der Trick liegt darin, die felgenmittige Abdeckkappe abzudrücken und hier die Druckstange des Hebers anzusetzen. So hebt man nur das Rad, muss nicht auch noch den langen Federweg überwinden.


    Das macht man dann ggf. 4 mal - für jedes Rad individuell! Wenn eine Runde nicht reicht - voila, eine 2. wirk zumeist Wunder. Damit kriegt man auch den Unterboden hoch, der dann nicht mehr auf dem Dirt schleift. Das ist meistens dringend erforderlich.


    Noch wirkungsvoller waren die früher gebräuchlichen Bumper Jacks, die allerdings an heutigen Fahrzeug-Konstruktionen kaum noch ansetztbar sind. Mit diesen Hebern konnte man Fahrzeugfront oder -heck um 50-60 cm in 1 Minute liften.


    Gruss Rolf

  • Heinz, meine Nerven!! das ist ja spannender als jeder Krimi. Ich klebe fast am Bildschirm, meine Hände sind ganz nass.
    So ein Pech aber auch für euch und besoders dann für Escalante für den verpatzten Fotokurs. :traen: :traen:
    Ich fühle mit euch und eurer sicherlich ungemütlichen Nacht


    Greetz,


    Yvonne

  • Zitat

    Original von Ganimede
    Rolf


    Beim Wechseln eines Rades beim Jeep Liberty (altes Modell) muss man den (Scheren) Wagenheber von hinten unter die Tragachse schieben und braucht damit nur ein kleines Stück hochheben und nicht den Federweg.


    Das wird Heinz jetzt aber auch nicht mehr helfen :gg:


    Das ist bei vielen SUV ziemlich ähnlich (Blazer, Trailblazer, Explorer u.a.)


    Nur besteht bei aufsitzendem Fahrzeug zum einen das Problem, überhaupt noch drunter zu kommen und zum anderen ist unter dem Achskörper zumeist überhaupt keine Luft mehr, um den Jack anzusetzen.


    Ausserdem machts in Heinz' Fall wahrscheinlich unheimlichen Spass, sich längelang in den Matsch zu werfen. :pfeiff:


    Wir hatten das letztes Jahr am Trailblazer. Platten hinten! Wechseln konnten wir zum Glück auf ebenem, festen Dirt. Trotzdem - das Drunterkriechen ist nicht nett. Beim Radwechsel funktioniert es ja nicht, den Jack an der Felge anzusetzen. :EEK:


    Gruss


    Rolf

  • Zitat

    Original von Hatchcanyon
    Ausserdem machts in Heinz' Fall wahrscheinlich unheimlichen Spass, sich längelang in den Matsch zu werfen. :pfeiff:


    Zum Schluss war der Schnee ja wieder gefroren. :pfeiff:


    Mit dem Wagenheber haben wir es auch probiert. Das war Escalantis Hauptgrund für's Freischaufeln, damit wir den Wagenheber überhaupt ansetzen konnten.


    Den Wagenheber direkt am Rad anzusetzen, wäre natürlich gut gewesen. Auf die Idee ist keiner gekommen. Gehen wir mal davon aus, dass es nicht geklappt hätte, sonst würde ich mich noch im Nachhinein ärgern. :P

  • Der Tag ist ja Dramatik pur! Wir waren ja schon von Brigitte vorgewarnt, aber man fiebert jetzt doch ganz schön mit. Hoffe Du lässt uns bald wissen wie's ausgegangen ist.
    Hoffe außerdem das Du und Escalante nach diesem Schlamassel noch miteinander redet.
    Alles Gute weiterhin!


    Gruß
    Eva

  • Zitat

    Original von Heinz
    Den Wagenheber direkt am Rad anzusetzen, wäre natürlich gut gewesen. Auf die Idee ist keiner gekommen. Gehen wir mal davon aus, dass es nicht geklappt hätte, sonst würde ich mich noch im Nachhinein ärgern. :P


    Du musst Dich nicht ärgern. Mit den Standardwagenhebern hat man fast nie eine Chance, direkt am Rad anzusetzen. Da braucht es schon einen dieser hydraulischen Druckstangenheber. Damit gehts dann an besagter Stelle in der Mitte der Felge oder im Notfall an einer Radschraubenbohrung etc.. Ggf. Radschraube rausdrehen!


    Gerade im Schlamm hilft Ausbuddeln oft schon deshalb nicht, weil man nie weiss, wieviel weiches Material drunter ist. Worst Case vergräbt man das Fahrzeug erst richtig. Im tiefen Sand ists schlimmer, im nassen Kies aussichtslos!


    Eine erste Gefahr ist übrigens, dass man beim "Herumstochern" mit dem Spaten Technik verletzt, auch wenn sie gegen normales Aufsetzen gut geschützt verlegt ist.


    Leider ist es so, dass dieser Ausgrabe-Schwachsinn sogar bei Offroad-Trainings verbreitet wird. :pfeiff:


    Wer mir das meiste in Bezug auf Herausholen beigebracht hat? Der Alte von S & S - Towing in Green River! :MG:


    Gruss


    Rolf

  • Mir ist richtig flau im Magen...


    Dass Ihr stecken geblieben seid, dass wusste man ja - aber diese Dramatik :EEK: Eure verzweifelten Bemühungen, die Erkenntnis, die sich langsam durchsetzt...
    Heinz, wir hätten Deinen Bericht auch ohne solche Einlagen mit Spannung gelesen ;)


    Ich hoffe, dass Euch dieses Erlebnis letztendlich nicht gegenseitig aufgebracht sondern zusammen geschweißt hat :!!


    Bitte schnell weiter schreiben!

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