Heute wollen wir den einzigen Abstecher nach Manhattan auf unserer Reise machen - um zum Bäcker zu gehen. Bartolo Jr. Valestro, genannt "Buddy", hat es mit Tortenbacken - und der Dokusoap "Cake Boss" auf TLC - zu internationaler Berühmtheit gebracht. Aus der Konditorei Carlo's Bakery ist drüben in Jersey eine kleine Kette geworden mit Ablegern in Las Vegas und am Times Square. Und weil keine der Filialen in New Jersey auf unserer Route liegt, bleibt für uns nur das Cake Boss Café am Times Square. Gleich im Gebäude der Port Authority, dem großen Busbahnhof an der 42nd Street soll das sein, also brechen wir dahin auf.
Kein Spaß ist die New Yorker U-Bahn während der morgendlichen Rush Hour. Schon gar nicht, wenn diese randvoll in einem Tunnel steckenbleibt. In New York ein Pendlerleben zu führen, ist wirklich hardcore. Mit welch stoischer Ruhe die Leute hier ihre Mitmenschen ertragen, den Dreck, die Hitze in den Stationen... Schließlich kommen wir aber ans Ziel, irren noch ein wenig durch den riesigen Bahnhof und finden schließlich das Café direkt an der Ecke 8th Avenue/42nd Street. Sieht eigentlich aus wie irgendein x-beliebiger Imbiss.
Nach längerem Überlegen ob der großen Auswahl entscheiden wir uns für einen Lobster Tail, einen Cupcake und natürlich das traditionelle Canoli. Dazu zwei Cappuccino. Horrend teuer das Ganze und sehr süß. Aber manchmal muss man als Tourist tun, was man als Tourist eben tun muss!
Draußen auf der 42nd Street tobt der ganz normale Wahnsinn. Die Gegend um den Times Square ist einfach so voller Menschen, es ist unfassbar. Dabei ist das Wetter auch noch ziemlich ungemütlich, leichter Nieselregen hat eingesetzt. Der kann uns aber nicht von einem Bummel durch den sehr hübsch angelegten Bryant Park abhalten, eine Oase in der Hektik der Metropole.
Wie so viele Parks New Yorks wird auch der Bryant Park nicht mehr von der Stadtverwaltung, sondern von einer privaten Non-Profit-Organisation unterhalten, und gilt als Musterbeispiel für eine funktionierende Public-Private-Partnership. Die Zeiten als hier Drogendealer und Obdachlose das Bild bestimmten, sind jedenfalls lange her. Hübsch auch der Blick auf das von neo-gothischen Türmchen gekrönte American Radiator Building aus den 1920er Jahren.
Was man den Blumenbeeten nicht ansieht: Sie haben kostenloses WLAN.
Seit 2009 überragt der Bank of America Tower mit seinen 55 Stockwerken Bryant Park. Obwohl das Gebäude als besonders "green" gilt, verbraucht der Turm pro Quadratmeter zwei Mal mehr Energie als das Empire State Building.
Direkt neben dem Bryant Park: Die New York Public Library. Ich kann mich nicht erinnern, da jemals drin gewesen zu sein, also schauen wir uns etwas darin um. Wunderschönes Gebäude. Ein paar Blocks weiter erreichen wir das Grand Cental Terminal. Das kennen wir definitiv schon. Im Apple Store mache ich mich auf die Suche nach einem neuen Bumper für mein iPhone - vergeblich. Alle hässlich. Wir suchen und finden den Weg zur U-Bahn und fahren nach SoHo.
Einer der Adler aus Gusseisen, die nach dem Abriss der Grand Central Station für Jahrzehnte verschollen waren. Heute wacht er wieder stolz über die Ecke 42nd Street und Park Avenue.
Bei REI löse ich den Cheque ein, den wir als Mitglieder der Kooperative des Outdoor-Ausstatters Anfang des Jahres geschickt bekommen haben. So gibt es ein Wanderhemd fast für umsonst. Schräg gegenüber bei adidas erstehe ich ein Deutschland-Trikot. Das kostet hier so viel in Dollar wie daheim in Euro. Ein wenig bummeln wir noch den Broadway rauf und runter, aber so richtig in Shopping-Laune kommen wir nicht. Conny benötigt eh am dringendsten eine Apotheke. An Apotheken ist aber zum Glück nirgendwo in Amerika ein Mangel. Zum Mittagessen genehmigen wir uns Panini und ein Sandwich, dann wird es höchste Zeit, nach Bushwick zu fahren. Dort steht die nächste Walking Tour an - "New York Graffiti and Street Art". Auf die haben wir uns besonders gefreut.
Nach Bushwick hätte sich vor ein paar Jahren sicher noch kein Besucher New Yorks her verirrt. 1660 von Hugenotten gegründet und bis weit ins 19. Jahrhundert Agrarland, wurde Bushwick 1854 Teil der sich rasant ausbreitenden Stadt Brooklyn. Industrie siedelte sich an und dank der deutschen Einwanderer wurde Bushwick zum Zentrum des Brauens in der Bier-Hochburg Brooklyn. Mit dem Niedergang der Brauereien nach dem Zweiten Weltkrieg ging es auch mit Bushwick den Bach runter. Als am 13. Juli 1977 in weiten Teilen New Yorks der Strom ausfiel, wurde Bushwick zum Schlachtfeld. Plünderer räumten Dutzende Geschäfte aus, 35 Häuserblocks brannten nieder. Armut, Kriminalität und Drogenhandel regierten die nächsten Jahrzehnte. Anfang der Zweitausender läuteten staatliche Initiativen und der erfolgreiche Kampf gegen die Kriminalität in New York allgemein den Umschwung für Bushwick ein. Junge Leute und Künstler, für die Manhattan und auch Williamsburg zu teuer geworden waren, fanden hier bezahlbaren Wohnraum und jede Menge Platz für Ateliers und Galerien. Bushwick ist immernoch arm, dreckig und laut, aber längst haben sich trendige Bars und Restaurants etabliert, ist Bushwick zum neuen Szene-Hotspot geworden. Von "East Williamsburg" ist schon die Rede. Wir lieben solche Orte!
Auf der Walking Tour erfahren wir wenig über die Geschichte Bushwicks - um so mehr aber über die Geschichte von Graffiti und anderer Street Art-Genres. Ich glaube, unser Guide erzählt sogar ALLES, was man dazu wissen könnte. Er kennt von jedem Tag und jedem Mural den Namen des Künstlers.
Interessant ist, dass viele Wände kuratiert werden, da kann nicht einfach jeder sein Bild dransprühen. Künstler aus aller Welt werden eingeladen, teilweise von Sponsoren bezahlt, um dann eine Fläche zu gestalten. Aber natürlich gibt es auch noch viel wilde Kunst in Bushwick. Und sehr kreative Formen. Etwa bemalte Holzklötzchen an Straßenschildern befestigt. Nennt sich dann "wood blocking". Oder Mosaike aus Legosteinen, die an Häuserwände geklebt werden. Die Fotomotive gehen uns in den zweieinhalb Stunden, die die Tour dauert, jedenfalls nicht aus. Mit uns sind ungefähr 30 Leute in der Gruppe.
Conny würde am liebsten noch weiter durch Bushwick ziehen, aber ich dränge schließlich zum Aufbruch. Wir werden ganz sicher beim nächsten New York-Besuch Bushwick wieder auf die To-do-Liste setzen. Aber jetzt müssen wir pünktlich um 17 Uhr in Williamsburg sein, dann beginnt nämlich die Brooklyn Brewery Tour. Mein Bier.
Mitten in Williamsburg: Die Brooklyn Brewery, eine der größten und erfolgreichsten Craft Beer Breweries. Anfang des 20. Jahrhunderts war Brooklyn dank der deutschen Einwanderer mit an die 50 Brauereien so etwas wie die Bierhauptstadt der USA. Die letzte (Rheingold) gab 1976 den Kampf gegen das Billigbier aus dem Mittleren Westen auf - ein Jahrzehnt ehe Steve Hindy and Tom Potter mit der Brooklyn Brewery an die Tradition des Bierbrauens anknüpften. Die ersten Jahre wurde das Brooklyner Bier in der Matt Brewing Company in Utica in Upstate New York produziert. 1996 übernahmen die Firmengründer die Gebäude einer ehemaligen Matzo-Fabrik in Williamsburg. Nicht umsonst spricht man ja auch von "flüssig Brot"...
Das Logo der Brooklyn Brewery wurde übrigens von Milton Glaser entworfen, dem Designer des "I Love New York" Logos. In einer biergeschwängerten Nacht war der von Hindy und Potter überzeugt worden, dass nur er der Richtige für den Job wäre. Bezahlt wurde Glaser mit Firmenanteilen. Am Ende zahlte sich das für ihn wohl aus.
Schlag 17 Uhr werden die 30 Glücklichen, die ein Ticket für die tägliche Tour ergattern konnten, an die Bar gebeten. Eine völlig enthusiastische Marketing-Assistentin schenkt reihum vier Sorten Bier aus, darunter ein Starkbier mit über neun Prozent Alkohol. Ich habe das Glück, eine Begleitung dabei zu haben, die sich nichts aus Bier macht - also bekomme ich von allem die doppelte Ration. Als alle schön angetrunken sind, geht es ins Brauhaus. Hier gibt es einige blitzblank gewienerte Kessel zu bewundern - die natürlich aus Deutschland kommen.
Weiter geht die Führung in eine zweite Halle, in der Arbeiter Kisten zukleben. Das war's. Zurück an die Bar. Ab jetzt kostet das Bier 5 Dollar und wer will, kann die Mitarbeiter mit weiteren Fragen löchern. Oder Souvenirs kaufen. Objektiv gesehen bekommt man für die 10 Dollar Eintritt ziemlich wenig geboten, subjektiv betrachtet macht das ganz schön Spaß hier in der Brooklyn Brewery. Und das Bier ist fantastisch!
Oh, an dieser Stelle könnte ich uns mal im Bild vorstellen:
Keine Angst, meine Frau ist nicht immer so aufgedreht wie beim Thema Bier. Außerdem hat ihr gerade jemand das Glas leergetrunken...
Zum Dinner haben wir in Williamsburg die Qual der Wahl. Wir entscheiden uns für eine Pizza bei Fonino auf der Bedford Avenue. Delicious! Ehrlich, diese New Yorker Pizzen sind eine ganz eigene Liga. Ich glaube, der größte Unterschied zu denen daheim ist der dünne Teig und dass die darauf nicht einfach eine dicke Tomatensoße hauen, sondern Öl und frische Tomaten. So schmeckt man jede einzelne Zutat heraus. Ein grandioses Geschmackserlebnis. Satt und zufrieden fallen wir schließlich in unsere Betten. War schon wieder so ein toller Tag in New York!