15. Oktober 2019 - im Ghost Hotel
Heute freuen wir uns auf „Big Jim“, zumindest hoffen wir, dass wir ihn im Teepee Curios vorfinden werde. Und wir finden ihn vor. Jim Wigley, so sein richtiger Name, ist ein ehemaliger Truck Driver, der sein halbes oder eigentlich fast ganzes Leben auf der Route 66 und natürlich auch anderen Highways verbracht hat. Inzwischen ist er „retired“ und jobbt ein bisschen im Souvenir Shop gleich neben dem Blue Swallow.
Natürlich müssen wir ihn erst einmal in unser Vorhaben einweihen - wir haben ihn ja noch nie zuvor gesehen - was aber kein Problem ist. Er ist sofort bereit mitzumachen. Wir sind eben in Amerika. Sie sind unkomplizierter dort. Das Wetter spielt auch wieder mit, so dass wir die Bilder gleich draußen neben dem Tee Pee machen können. Das „making of“ Foto zeigt aber nicht die Entstehung des Bildes, das es am Ende ins Buch schafft. Wie das schließlich aussieht - überzeugt euch selbst. . Im Anschluss führen wir noch das Interview, in dem uns „Big Jim“ ein bisschen was über sein Truck Driver-Leben an der 66 erzählt und auch über die Zeit danach. Ins Buch kommen ja jeweils nur ein paar Sätze aus den Interviews, sonst hätten wir ein paar hundert Seiten „anbauen“ müssen.
Danach geht’s zum Frühstück in Del’s Restaurant. Nick ist inzwischen ebenfalls zu uns gestoßen (er hat sich morgens etwas mehr Zeit gelassen). Dann geht’s weiter Richtung Osten. Erster Haltepunkt ist ein großer Hof mit alten Autos nicht weit hinter Tucumcari. Wir fragen, ob wir uns das ansehen und auch fotografieren dürfen. Wir dürfen und tun das ausführlich. Ein Ort für Freunde von American Classic Cars - nicht in Ausstellungsqualität, sondern in unterschiedlichen „Zuständen“, wobei die „Rostlauben“ überwiegen. Fahren wird niemand mehr damit.
Bis San Jon nehmen wir die Interstate, wir haben noch eine Verabredung heute und wollen nicht zu spät kommen. Was allerdings sein muss, ist die Tour über die alte „Dirt 66“ von San Jon nach Glenrio. Sie ist zwar „dirt“ aber bestens zu befahren - ein bisschen staubig und rüttelig, aber sonst in Ordnung. Viele scheuen sich, diesen Abschnitt Original-66 zu befahren, aber dafür gibt’s keinen Grund. Prärielandschaft, in der Ferne die stillgelegten Eisenbahnschienen samt baufälliger Brücken. Ein paar „Ghosts“ am Rande des Weges. Die Interstate braust in Hörweite vorbei. Hier sind wir allein. Kein Fahrzeug begegnet uns.
Der Stopp in Glenrio ist schon fast Kult. Aber auch dort hat sich inzwischen einiges geändert, doch im Oktober 2019 treffen wir die Ghost Town noch in bekanntem Zustand an.
Über den „Midpoint“ der 66 in Adrian geht’s weiter nach Vega (hier waren wir doch vor gerade mal elf Tagen) und schließlich über Wildorado und Bushland nach Amarillo, wo wir unsere Verabredung haben.
Mitten in Amarillo, nicht weit vom Verlauf der 66, steht ein riesiges Gebäude. „Herring Hotel“ steht in großen Lettern neben dem von zwei hohen Türmen flankierten Eingang. Wir sind nicht zum ersten Mal hier. Schon vor zwei Jahren hatten wir die Möglichkeit dieses imposante Gebäude von innen zu besichtigen.
Ermöglicht hat es uns Mel Griswold, die wir über Nick kennen gelernt haben. Mel ist so etwas wie eine „Care Takerin“ für das Herring. Von Beruf ist sie Lehrerin und Historikerin, die sich intensiv mit ihrer Heimat befasst.
Ach so, wir sollten erwähnen, dass das riesige Hotel seit Jahrzehnten leer steht. Ein „Ghost Hotel“ also. Und so sieht es drinnen auch aus. Im Route 66 Thread steht mehr darüber.
Und hier treffen wir Mel wieder, die sich ebenfalls bereit erklärt hat, an unserem Projekt teilzunehmen. Das Shooting findet in der großen Eingangshalle und im Ballsaal im ersten Stock statt. Eine fast schon unheimliche Atmosphäre begleitet uns, denn die Beleuchtung ist in manchen Ecken nur spärlich. Zum Glück fällt noch genug Tageslicht durch die fast blinden Fensterscheiben. Ellen arbeitet gewollt mit „available light“, also kein Schnickschnack mit künstlichem Fotolicht oder Bouncern. Alles soll so natürlich, wie möglich aussehen. Wir wollen keine „Models“, sondern authentische Gesichter der Route 66.
Mel erzählt uns, wie sie an dieses Hotel kam, und warum es ihr so wichtig ist. Wir können nicht ahnen, dass auch sie das Erscheinen des Buches nicht mehr erleben wird. Mel ist im September vorigen Jahres verstorben.
Für den Besuch im Herring ist Nicks Tochter Becca zu uns gestoßen, die uns auch den restlichen Tag begleiten wird. Sonnenuntergang und weites Land im texanischen Panhandle. So was brauchen wir noch. Kein Problem heute an der 66. Dazu müssen wir nur ein paar Meilen aus Amarillo rausfahren. Auch das ist bald geschafft.
Danach geht’s in „Crush“, das Restaurant, in dem wir Nick zum ersten Mal getroffen haben und wo die Idee für das erste in den USA erschienene Buch entstanden ist. Für uns also ein fast schon historischer Ort.
Damit ist unser Tagesprogramm für heute absolviert. Allerdings hat Nick noch eine Überraschung: morgen früh gibt’s einen TV-Auftritt mit Live-Interview und Buchvorstellung von „A Matter of Time“ im texanischen Frühstücksfernsehen von „News Channel 10“.
Ellen ist ein bisschen nervös …