Pizza, Bier und bunte Blätter - New England 2014

  • Wo Martins wunderbarer Reisebericht durch den (Nord-) Osten der USA gerade zuende geht ( :app: dafür!), aber noch jede Menge lange Winterabende übrig sind, dachte ich mir, ich versuche es auch mal mit einem Bericht im Forum. Vielleicht hat der/die ein oder andere ja Lust, noch ein bisschen länger in New England zu verweilen. ;) Für uns war's dieses Jahr die zweite Rundreise in der Gegend. 2008 waren wir schon einmal zum Indian Summer in New England (den Blog von damals gibt's hier). In sagenhaften Farben leuchtende Wälder, eine spektakuläre Küste, Bilderbuchdörfchen mit weißen Kirchen und bunten Holzhäusern, bezaubernde Bed-and-Breakfast-Pensionen, frische Meeresfrüchte direkt aus dem Ozean - wir hatten nur beste Erinnerungen an die Reise. So war es höchste Zeit, mal wieder drüben im Osten vorbeizuschauen.


    Im Wanderführer "100 Classic Hikes in New England" waren schnell allerlei interessante Touren in den Berkshires, den Green und den White Mountains angekreuzt und eine ungefähre Route ausgedacht: Lufthansa sollte uns nonstop nach New York fliegen. Nach ein paar Tagen in unserer absoluten Lieblingsstadt wollten wir dem Hudson flussaufwärts in die Berge folgen - hoffentlich zum Peak der Foliage, der herbstlichen Laubfärbung. Am Ende die Küste runter und via Long Island zurück zum JFK Airport. Soweit der Plan. Da ich im Vorfeld der Reise keine Zeit mehr hatte, diesen weiter zu verfeinern, ließen wir nach den ersten drei gebuchten Hotels den weiteren Weg offen. Zimmer kann man schließlich auch von unterwegs reservieren und mit dem "Lonely Planet New England" hatten wir einen brauchbaren Reiseführer im Gepäck, der auch spontane Abstecher off the beaten paths ermöglichen sollte. Let's go!
    ;:WaRu;;


    Index
    28. Sep - Now You're In New York
    29. Sep - NYC: These Streets Will Make You Feel Brand New
    30. Sep - NYC: Big Lights Will Inspire You
    01. Okt - NYC/Bear Mountain: Let's Get Outta Here
    02. Okt - Bear Mountain: Zu Berge wir ziehen
    03. Okt - Bear Mountain/Hyde Park/Berkshires: Homes On The Hudson
    04. Okt - A Rainy Day In The Berkshires
    05. Okt - Berkshires: Pizza, Bier und bunte Blätter - der Tag
    06. Okt - Nach Norden: Von Great Barrington nach Stowe
    07. Okt - Stowe: A Foodie Day
    08. Okt - Stowe/Glen: In die White Mountains
    09. Okt - Glen: Going down, down, down, down, down...
    10. Okt - North Conway: Dem Elch auf der Spur
    11. Okt - North Conway/Ogunquit: Schöner Ort am Meer
    12. Okt - Ogunquit: Lobster lebendig, Lobster gebacken
    13. Okt - Ogunquit nach Franklin: Auf dem Weg in den Süden
    14. Okt - Von Franklin nach Westerly - On The Beach
    15. Okt - Westerly: America and the Sea
    16. Okt - Endspurt


    Fazit

  • Flug LH 400 nach JFK war der absolute Nervenkitzel. Allerdings bevor wir losfliegen oder auch nur einchecken konnten. Einige Wochen vor der Reise sah ich nämlich zufällig, dass ich bei der Buchung meinen Vor- und Nachnamen vertauscht hatte. Ein erster Anruf im Callcenter von Lufthansa brachte die wenig erbauliche Auskunft, dass ich das Ticket stornieren und ein neues kaufen müsste. 600 EUR waren auf bestem Wege aus dem Fenster...
    ::IbDgG::


    Aber wozu hat man alte Kollegen am Flughafen? Es war kompliziert, aber eine Woche vor Abflug verfügten wir dann doch über zwei gültige Tickets nach New York. Warum in Zeiten, in denen im Prinzip alles mit zwei Klicks zu erledigen sein müsste, das Korrigieren eines so einfachen Fehlers so ein Problem für die Fluggesellschaft sein soll, erschließt sich mir allerdings bis heute nicht. :nw:


    Dass die Streiks der Lufthansa-Piloten auch uns betreffen könnten, konnte uns nicht schrecken. Schließlich fliegen wir traditionell an allen Ausständen vorbei. So auch diesmal. Der A380 hebt pünktlich um 10 Uhr am Sonntagmorgen mit Conny und mir Richtung Westen ab.



    Wie sich manchmal der Kreis schließt: Der 150. Flug meines Lebens ist auf der gleichen Strecke wie der allererste: FRA-JFK. :!!


    Das Schönste am Fliegen: Man hat Zeit. Zum Beispiel, um ein paar Alben zu hören. Im Angebot der Lufthansa fanden sich etwa The Thievery Corporation, Nightmares On Wax, Worthy und der neueste Ibiza-Mix von Sven Väth. Entspannter Sound nach meinem Geschmack, zu dem man auch prima die Sonntagszeitung lesen kann. Wobei die Frankfurter Allgemeine inhaltlich bestens zu einem Acht-Stunden-Flug passt, vom Format her aber nicht gut in einen Economy-Sitz.



    Eindeutig Chicken, not Pasta.



    Essen und Trinken sind akzeptabel. Die mit süßem Senf gefüllten Weißwurst-Bällchen, die es kurz vor Ankunft noch als Snack gibt, würde ich sogar in die Kategorie des besonders originellen Flugzeugessens einordnen. Ein Prosit den Skychefs!


    Nach der Landung auf dem John F. Kennedy International Airport rollen wir noch eine Weile bis zum Gate, durch die Immigration schlüpfen wir dafür fast in Rekordzeit. Die Schlangen für US Citizens sind länger als für uns Besucher. Dabei hatte ich mir vorher schon ausgemalt, einen der neuen Einreiseautomaten auszuprobieren. Binnen weniger Minuten sind wir durch die Passkontrolle durch, viel schneller als es unsere Koffer aufs Gepäckkarussell hätten schaffen können. Schließlich kommen die beiden auch angefahren und wir schieben uns am Zoll vorbei in die Empfangshalle. Ab zur Bahn.


    In New York sind wir bisher immer mit dem Taxi in die Stadt gefahren. Da es deutlich günstiger ist, wollen wir diesmal dem ÖPNV eine Chance geben. Mit dem Airtrain umrunden wir vom Terminal 1 aus einmal den kompletten Flughafen bis wir endlich die Station Howard Beach erreichen, wo wir in die U-Bahn umsteigen können. Am Automaten ziehen wir uns zwei Metrocards von denen sofort 5 Dollar für den Airtrain abgezogen werden. Dann geht es durch ein weiteres Drehkreuz (wieder 2,50 Dollar) zur Subway.



    Irgendwie provinziell dieser Vorortbahnhof des sechstgrößten Flughafens der USA.


    Nach 15 Minuten des Wartens rollt ein Zug der Linie A ein, mit dem wir zunächst sehr langsam durch Queens zuckeln. Erstmal unter Tage, wird diese Linie aber zum Express Train, so dass wir nach einer guten halben Stunde und einmal Umsteigen die unserem Hotel nächstgelegene Haltestelle erreichen, 4 Av in Brooklyn. Hier ist aus der U- eine Hochbahn geworden und wir müssen unser Gepäck mehrere Treppen nach unten bis auf Straßenniveau tragen. Dann die Koffer noch drei Blocks über nicht sonderlich rollentaugliche Bürgersteige gezogen und das La Quinta Inn & Suites ist erreicht. Kurz vor 16 Uhr sind wir auf dem Zimmer. Bis auf die Schlepperei ist die Anreise per Bahn jetzt ganz easy gewesen.


    Wir machen uns frisch und dann gleich wieder auf die Socken. In der Nähe der Brooklyn Bridge steigt das Dumbo Arts Festival, von dem wir noch etwas mitbekommen wollen. Tatsächlich ist in dem Viertel einiges los. Zwar ist das Straßenfest schon am Ausklingen, aber ein paar Installationen können wir uns anschauen. Nun ja, sehr modern die Kunst. ;,cOOlMan;:





    ;;TeACH;; Das bunte Glashaus ist eine Skulptur des amerikanischen Künstlers Tom Fruin und stand auch schon in Kopenhagen, Prag oder Wien. Während des Dumbo Arts Festivals ist es Spielstätte der poetischen Performance "Reflection". Hübsch sieht es aus. Bis Juni 2015 kann man es sich noch in Brooklyn anschauen.



    Auf ein Eis hätten wir uns auch eingelassen, aber nicht aufs Anstehen in dieser Schlange an der Brooklyn Ice Cream Factory...





    Das Festival hat in Kombination mit strahlendem Sonnenschein und den hier sonst auch üblichen Touristenmassen für einen enormen Menschenauflauf in den Parks am Ufer des East River gesorgt - und für lange Schlangen vor den Restaurants der Gegend. Ich will aber unbedingt bei Juliana's eine Pizza essen, also stellen wir uns vor dem kleinen Lokal in der Fulton Street an. Juliana's Besitzer Patsy höchstpersönlich koordiniert die Wartenden. Und Patsy ist ein echtes Brooklyner Original!


    Zusammen mit seiner Frau Carol führte der Patrone einst Grimaldi's Pizzeria, bekannt aus jedem New York Reiseführer. Was die meisten Führer nicht erwähnen (oder deren Schreiberlinge nicht wissen): Grimaldi's wurde schon vor Jahren verkauft und hat mit den einstigen Eigentümern nichts mehr zu tun. Die beiden konnten dann aber doch nicht ohne Teig und Käse und eröffneten 2011 wieder eine Pizzeria just in dem Gebäude, das schon in den Neunzigerjahren Grimaldi's beherbergt hatte - nicht gerade zur Freude der aktuellen Namensbesitzer, deren Lokal direkt nebenan ist.


    Der Namenspatron für Juliana's ist übrigens die Mutter von Pat, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zusammen mit drei Brüdern aus Italien nach New York ausgewandert war. Eigentlicher Stammsitz der Pizzabäcker-Dynastie ist Patsy's Pizzeria, benannt nach einem Onkel. Die steht seit 1933 in East Harlem.


    Dieses Wissen kann ich mir locker anlesen, während wir auf Einlass warten. Nach etwa 30 Minuten haben wir es dann geschafft und bekommen einen winzigen Tisch in dem engen Laden. Für ein romantisches Date eignet sich Juliana's schonmal nicht - aber die Pizza... Die beste, die ich je gegessen habe. Ein Brooklyn Lager dazu - absolut köstlich! Danke, Patsy, das war der kulinarisch perfekte Einstieg in unseren Urlaub.


    Gut gesättigt gehen wir nochmal unten an den Fluss den Blick auf die Skyline von Downtown Manhattan genießen. Praktischerweise hat das Geländer Pfosten, die genau in der richtigen Höhe sind, um die Kamera zur Langzeitbelichtung darauf abzulegen. Ich muss mich also nicht ärgern, dass ich kein Stativ mitgenommen habe. Dass mir ein Boot fast jede Aufnahme verdirbt, indem es blaue Streifen ins Bild macht, stelle ich erst später fest...




    Das Empire State Building grüßt von Ferne. Die Spitze ist an diesem Abend zu Ehren von Derek Jeter in blau und weiß, den Vereinsfarben der New York Yankees, angestrahlt. Jeter ist just heute das letzte Mal für die Yankees aufgelaufen, für die er fast 20 Jahre gespielt hat und mit denen er fünf Mal die World Series gewann. Einer der ganz Großen des Baseballs!


    Mittlerweile ist es ganz schön kühl geworden und so machen wir uns dann doch bald an den Rückweg ins Hotel. Weil wir beim Umsteigen eine gefühlte Ewigkeit auf die Bahn warten müssen, zieht sich dieser ganz schön. Einigermaßen erledigt fallen wir in unsere Queensize-Betten. Wir sehen uns morgen, New York!


    ;arr:;arr:;arr:to be continued

  • Ups, geht ja schon los.


    Wir sind genau drei Tage später mit der gleichen Verbindung geflogen. Schlechte Absprache :gg:


    Das war ja ein recht gelungener Urlaubsauftakt. Gleich ein Festival, die Pizza sieht auch sehr gut aus.


    Wirklich merkwürdig, dass so ein kleines Versehen nicht einfacher geändert werden kann. Wenigstens weiß ich jetzt, wo ich Hilfe bekommen kann, wenn mir so etwas auch mal passiert.

  • dachte ich mir, ich versuche es auch mal mit einem Bericht im Forum.

    Oli, da bin ich natürlich dabei! ;ws108; Mal sehen was ihr so alles erlebt habt.


    Einige Wochen vor der Reise sah ich nämlich zufällig, dass ich bei der Buchung meinen Vor- und Nachnamen vertauscht hatte.

    Sowas ist doof! Ich hatte mal einen Rechtschreibfehler im Vornamen von meiner Mam gemacht aber bei nur einem falschen Buchstaben hat das niemanden interessiert. :nw:


    Der 150. Flug meines Lebens ist auf der gleichen Strecke wie der allererste: FRA-JFK. :!!

    Klasse! Mein erster Flug ging von München-Riem nach Dubrovnik. Glaube kaum, dass ich da nochmal hinfliegen werde. ;)


    Die mit süßem Senf gefüllten Weißwurst-Bällchen, die es kurz vor Ankunft noch als Snack gibt, würde ich sogar in die Kategorie des besonders originellen Flugzeugessens einordnen. Ein Prosit den Skychefs!

    Die waren wirklich lecker! ;:HmmH__


    Mit dem Airtrain umrunden wir vom Terminal 1 aus einmal den kompletten Flughafen bis wir endlich die Station Howard Beach erreichen, wo wir in die U-Bahn umsteigen können. Am Automaten ziehen wir uns zwei Metrocards von denen sofort 5 Dollar für den Airtrain abgezogen werden. Dann geht es durch ein weiteres Drehkreuz (wieder 2,50 Dollar) zur Subway.

    Das klingt kompliziert... ;;MfRbSmil#


    Das bunte Glashaus ist eine Skulptur des amerikanischen Künstlers Tom Fruin

    Ist das Bild richtig herum? ;te:


    Die beiden konnten dann aber doch nicht ohne Teig und Käse und eröffneten 2011 wieder eine Pizzeria just in dem Gebäude, das schon in den Neunzigerjahren Grimaldi's beherbergt hatte - nicht gerade zur Freude der aktuellen Namensbesitzer, deren Lokal direkt nebenan ist.

    Ich glaube, da sind wir auf der Nachttour mit der Gray Line vorbei gefahren. ;;NiCKi;:

  • Erster, beim ersten Reisebericht im Forum von Dir. ;ws108;


    Und gleich ein Inhaltsverzeichnis angelegt. Top! :!!


    So knapp 100 Abende hätte ich noch :gg:


    :gg: Bis dahin sind wir durch!


    sonst lese ich Deine Reiseberichte immer auf Deiner Homepage, und habe viele Anregungen daraus gezogen. Klar, dass ich hier auch dabei bin.


    Ja, den Blog versuche ich parallel voranzutreiben. Irgendwie dauert's diesmal etwas länger. :nw:


    Wir sind genau drei Tage später mit der gleichen Verbindung geflogen. Schlechte Absprache :gg:


    Oh, welch ein Faux-Pas. ;)


    Wirklich merkwürdig, dass so ein kleines Versehen nicht einfacher geändert werden kann. Wenigstens weiß ich jetzt, wo ich Hilfe bekommen kann, wenn mir so etwas auch mal passiert.


    ;,cOOlMan;:


    Oli, da bin ich natürlich dabei! ;ws108; Mal sehen was ihr so alles erlebt habt.


    :wink4:


    Ich glaube, da sind wir auf der Nachttour mit der Gray Line vorbei gefahren. ;;NiCKi;:


    Bestimmt. Auf jeden halten die Busse dort im Wendehammer neben der Ice Cream Factory.


    Das ist ein toller erster Tag in meiner Lieblingsstadt! ;,cOOlMan;:
    Bin gespannt, was alles kommt.


    Oh, wir haben die selbe Lieblingsstadt! :!! Ich mach gleich mal weiter mit Tag 2...

  • Dass New York niemals schläft, wie Sinatra einst sang, ist nur eine Legende. Wobei schon sehr früh morgens eine Menge Verkehr über die Hochbrücke am Gowanus Canal rauscht. Wir können das beurteilen, wir sind am ersten Urlaubsmorgen schon um 5 Uhr wach und sehen die Brücke vom Hotelfenster aus.


    Ein paar Sätze zu unserem Hotel: Dass das La Quinta, obwohl es "Brooklyn Downtown" im Namen trägt, nicht all zu zentral liegen würde, wussten wir vorher. Da wir uns diesmal aber eh auf Brooklyn konzentrieren wollten, war die Lage des Hotels für uns okay. Zur Station 4 Av sind es nur ein paar Blocks zu gehen, ebenso wie zur Prospect Av. Die Adresse 3rd Avenue ist gerade so an der Grenze zwischen dem eher von Industriebetrieben und Werkstätten besiedelten Teil von Gowanus und dem Wohnviertel aus typischen Brownstone-Stadthäusern, das ein paar Blocks weiter östlich an den Prospect Park angrenzt. Je näher zum Park, desto gepflegter die Gegend.



    Das Hotel ist modern und mit den üblichen Annehmlichkeiten ausgestattet, WLAN kostenlos und ausreichend schnell. Die Zimmergröße geht in Ordnung, vor allem für New Yorker Verhältnisse. Kurz nach unserem Aufenthalt würden allerdings Dutzende roter, juckender Knubbel auf meiner Haut erscheinen - typische Bissspuren von Bettwanzen. :EEK: Daraus lässt sich nicht unbedingt auf generell mangelnde Sauberkeit schließen, aber schön war das nicht.


    Wo wir heute so zeitig auf sind, checken wir das Angebot im Frühstücksraum des La Quinta und kommen rasch zu der Erkenntnis, dass dieses das Aufstehen nicht lohnt. Ein Chinese fragt uns dort, wie man am besten mit der Subway zur Freiheitsstatue kommt. Fast scheint er mir überrascht zu sein, als ich ihm halb im Scherz antworte, dass er da mit dem Schiff hinkommt, nicht mit der Bahn. Okay, Spaß beseite. Mittels eines mit fernöstlichen Zeichen übersäten Plans des New Yorker U-Bahn-Netzes auf dem Display seines Smartphones kriegen wir immerhin gemeinsam die beste Route zum Battery Park zusammen. Völkerverständigung at work. ;good;


    Wir kuscheln uns nochmal ins Bett. Erst um 10 Uhr haben wir den ersten Termin, eine Walking Tour durch den Stadtteil Williamsburg. Williamsburg haben wir vor zwei Jahren schon mal abends für ein Konzert besucht und weil das Viertel ja immernoch als Hipster-Hauptstadt der USA gilt, dürfte es sich lohnen, dieses etwas ausgiebiger zu erkunden. Dazu habe ich uns bei Free Tours by Foot angemeldet. Wie der Name der Organisation schon ausdrückt, kosten deren Führungen (bis auf den obligatorischen Tip) nichts und das Angebot ist sehr vielfältig und vor allem nicht nur auf Manhattan beschränkt.


    ;;TeACH;; Seit 1855 gehört Williamsburg zu Brooklyn. In den 1990er Jahren wurde Williamsburg durch den Zuzug von Künstlern zum Trendviertel und Musterbeispiel für die Gentrifizierung ehemals heruntergekommener Stadtteile. Es hat sich aber einen rauen Charme erhalten und unterscheidet sich wohltuend von mittlerweile mitunter steril sanierten Teilen Manhattans wie Greenwich oder Chelsea. Auch die Gebäude haben angenehme Dimensionen, das Flair ist lässig urban. Genau das, womit wir uns sehr wohlfühlen.


    Weil wir uns mit der U-Bahn verfahren, kommen wir fast zu spät zum Treffpunkt, sind dann aber doch nicht die Letzten, die vor dem Dunkin' Donuts in der Bedford Avenue einlaufen. Unser sympathischer Guide Derrick hält seinen Einführungsvortrag erfreulich kurz, schon setzt sich der kleine Pulk in Bewegung. Es geht gleich mit einem interessanten Punkt los, nämlich Street Art. Davon gibt es eine Menge in Williamsburg. Ob Graffiti, Poster, Schablonen oder Sticker - in jeder Straße, an jeder Ecke, an jedem Strommast findet sich hier irgendeines der vergänglichen Kunstwerke. Spätestens seitdem wir in Miami die grandiosen Wynwood Walls gesehen haben, stehen wir da total drauf!



    Besonders auffällig sind die Wheatpastes, dünne Poster aus einem kaum zu entfernenden Papier aus Stärke und Wasser, von Adam Cost, einem legendären Graffiti-Künstler, der schon in den Neunzigerjahren praktisch ganz Manhattan beklebte. 1995 schnappte ihn die Polizei und er landete wegen Vandalismus vor dem Kadi. Sein Richter schätzte den von ihm angestellten Sachschaden auf über 100 Millionen Dollar, verdonnerte Cost dann aber nur zu einer Geldstrafe von 2.126 Dollar und 200 Stunden Sozialarbeit - natürlich zum Entfernen von Graffiti. Cost zog sich danach erstmal aus der Szene zurück, während ehemalige Weggefährten immer mehr Ansehen als ernstzunehmende Künstler gewannen. 2010 kehrte Cost auf die Straßen und an die Wände zurück - und auf Instagram. Die Seite costkrt hat über 70.000 Follower. Wir ahnen natürlich nicht, dass Cost fünf Tage später wieder festgenommen werden sollte...





    Die Tour führt in einen Trödelladen, an der Russisch-Orthodoxen Kirche vorbei und in den McCarren Park, in dem man sich angesichts der zahlreichen hier dem Frühsport nachgehenden Anwohner kaum vorstellen kann, dass wir uns mitten in einem der ehemals berüchtigsten Brennpunkte New Yorks befinden. In der Eckkneipe Turkey's Nest erzählt uns der Barkeeper Anekdoten aus längst vergangenen Zeiten, in denen statt Apartmenthäusern Chemiefabriken und Raffinerien das Ufer des East River säumten, in dem die Mafia regelmäßig Leichen verschwinden ließ.


    Nun mag man ja zur Gentrifizierung und Kommerzialisierung von Vierteln, in denen früher einfache Arbeiter Lohn und Wohnraum fanden, stehen wie man will. Dass man heute unbeschwert durch Williamsburg spazieren kann, ohne Angst davor erschlagen, ausgeraubt oder von giftigen Industrieabgasen betäubt zu werden, ist zu begrüßen. So genau will man aber nicht wissen, was so alles im Erdreich unter den nagelneuen Wohntürmen schlummert...








    Weiter geht es vorbei an der Brooklyn Brewery, deren Besuch ich für morgen auf dem Zettel habe (Conny freut sich schon sehr darauf!), der Redaktion von Vice, wo Derrick ein paar Exemplare des Magazins für uns abstaubt, und hinein in die heiligen Hallen von Rough Trade, Label, Plattenladen und Konzertlocation in einem. Für 10 Dollar erstehe ich hier einen Stoffbeutel, um die Vice irgendwo hinstecken zu können - der Williamsburger Hipster-Look ist damit fast perfekt.






    Vom Bushwick Inlet Park mit den Resten früherer Dock- und Bahnanlagen genießen wir den Blick über den East River auf Midtwon Manhattan, dann spazieren wir wieder Richtung Bedford Avenue. Hier reiht sich ein Restaurant ans andere. So langsam könnten wir etwas zu essen vertragen. Aber noch halten wir uns auf den Füßen, schließlich geht die Tour noch unter der Williamsburg Bridge hindurch in den Hasit Satmar District. Es ist fast unheimlich wie anders das Bild hier auf einmal ist! Penibel sauber, aber irgendwie auch düster und abweisend wirken die Straßenzüge. Hier ist eine streng orthodoxe jüdische Gemeinde zuhause, die mit ihren althergebrachten Bräuchen und Traditionen einen ganz anderen Lebensstil pflegt als der multikulturelle Rest von Williamsburg.




    Die Walking Tour endet unter den Gleisen der über den Broadway ratternden Hochbahn. Wir bedanken uns bei Derrick für die sehr interessante und abwechslungsreiche Führung, für die er sich sein Trinkgeld wohlverdient hat. Praktischerweise befinden wir uns nun quasi um die Ecke von Peter Luger's Steakhouse. Das gibt es seit 1887, damals von einem deutschen Bruderpaar gegründet, und ist seit Jahrzehnten Pilgerort für Steakfans aus aller Welt. Genau das Richtige gegen einen knurrenden Magen.



    Ich hatte vor dem Urlaub mal daran gedacht, bei Luger einen Tisch zu reservieren, mich dann aber doch nicht gekümmert. Bestraft werden wir für diese Nachlässigkeit mit der abschätzigen Musterung durch den Maitre D' bei der Frage nach einem Tisch zum Lunch und einem Platz in einem recht ungemütlichen und wohl ausschließlich Touristen vorbehaltenen Saal. Die Kellner sind immerhin routiniert genug, ihr Pokerface auch dann nicht zu verlieren, wenn sie von Gästen aus Fernost um ein Portrait mit Fleisch gebeten werden.




    Die frischen Brötchen vorab sind sehr gut, auch das Brooklyn Lager vom Fass und die Pommes als Beilage. Das Fleisch haut uns allerdings nicht von den Socken. Natürlich sind Steak und Lammfilet auf den Punkt und über jeden Zweifel erhaben, aber das richtige Wow-Gefühl will sich irgendwie nicht bei uns einstellen. Da hat es uns vor zwei Jahren bei Keens besser gefallen. Nun gut. Been there, done that.






    Nach dem Essen begeben wir uns noch ein bisschen auf die Jagd nach Fotomotiven unter der Williamsburg Bridge, schließlich sind wir aber erledigt genug, um die Segel zu streichen und zurück ins Hotel zu fahren. Schon wieder verfransen wir uns mit der Subway und nehmen eine Bahn, die uns so gar nicht Richtung Hotel bringen würde. Also opfern wir eine weitere Fahrt auf der Metrocard und wechseln Linie und Station.


    Conny, die meine Erkältung der letzten Tage vor der Abreise geerbt hat, bleibt dann gleich im Bett, während ich mich abends noch einmal auf den Weg zur Brooklyn Bridge mache und die gestern nicht zu meiner Zufriedenheit ausgefallenen Aufnahmen der Skyline bei Nacht wiederhole. Auffällig sind die zahlreichen russischen Hochzeitspaare, die sich hier vor der Hochhauskulisse ablichten lassen. So wirklich romantisch ist das Setting ja nicht... ;][;



    Ich gönne mir noch ein Eis in der Brooklyn Ice Cream Factory - sehr lecker und im Gegensatz zu gestern völlig ohne Anstehen zu erwerben. Das süße Ende eines schönen Tages in Brooklyn. Kann so weitergehen.


    ;arr:;arr:;arr:To Be continued

  • Kurz nach unserem Aufenthalt würden allerdings Dutzende roter, juckender Knubbel auf meiner Haut erscheinen - typische Bissspuren von Bettwanzen. :EEK: Daraus lässt sich nicht unbedingt auf generell mangelnde Sauberkeit schließen, aber schön war das nicht.


    :EEK: Das braucht man nicht :neinnein:


    Klasse, du zeigst mal ein ganz andere Ecke und Perspektive von N.Y., gefällt mir gut und das Foto abends von der Skyline ist toll ;;NiCKi;: ;;NiCKi;:

    • Offizieller Beitrag

    So gestern ist ja beim Schreiben mein Compi abgeraucht.


    Zurück zum 1. Tag. Ich bin auch immer mit Öffi vom Flughafen und Gepäck in NY angereist. Besonders das erste Mal werde ich nie vergessen. :gg: Beim 3. Mal waren wir mit dem Auto gekommen, da wir von Miami kamen.

  • Mir gefällt sehr, was Ihr Euch anseht und wie Du es beschreibst. Die Wall-Paintings finde ich auch klasse.


    Ist Cort nach seiner Verhaftung eigentlich schon wieder verurteilt worden?


    Diese geführten Touren sind ja schon ziemlich speziell, als New York Anfänger habe ich mich da noch nicht recht dran getraut.


    Vor kurzem habe ich noch einen Artikel (in der FAZ?) gelesen, in dem über die starken kulturellen Gegensätze in Williamsburg in dem Grenzbereich des jüdisch-orthodoxen Viertels zum Rest-Wiiliamsburg mit seiner jungen hippen Bevölkerung berichtet wurde. Und jetzt stellst Du uns die Gegend vor :!!


    Puh, Bettwanzen sind ja wirklich unschön. Und eine Erkältung im Urlaub auch. Ich hoffe sehr, dass Euch beides nicht zu sehr beeinträchtigt hat.


    Liebe Grüße


    Bettina

  • Klasse, du zeigst mal ein ganz andere Ecke und Perspektive von N.Y.,


    Ja, beim achten Besuch darf es schon etwas spezieller sein. Aber in New York gehen uns die To Do's so schnell nicht aus... ;)


    Die Bilder könnten ruhig noch ein bisschen größer sein... :(


    Ich weiß. Aber leider ist das die Größe, auf die ich die Fotos für den Blog verkleinern muss. Sorry. :nw:


    Die Wall-Paintings sind ja klasse :clab:
    Mach weiter so, bitte :!!


    Freut ich, dass Euch die Kunst gefällt. Davon kommt noch mehr... :SCHAU:


    So gestern ist ja beim Schreiben mein Compi abgeraucht.


    :EEK: Ach, Du meine Güte! Bei unseren Nachbarn von obendrüber ist während wir weg waren auch der Computer abgeraucht - im Wortsinne! Gab einen ausgewachsenen Zimmerbrand mit Feuerwehreinsatz. Unsere Wohnung hat außer ein paar Wasserflecken, die sich demnächst wohl leicht überstreichen lassen, zum Glück nichts abbekommen. War ein schöner Schock nach der Rückkehr aus dem Urlaub!


    volle Zustimmung :!!


    Schön, dass Du mitfährst, Kalle! :wink4:


    Wir haben letztes Jahr in Long Island City gewohnt und sind mit der Subway rüber gefahren.


    Nicht zufällig im Wyndham? Da waren wir vor zwei Jahren. Hat uns auch gut gefallen.

    Ist Cost nach seiner Verhaftung eigentlich schon wieder verurteilt worden?


    Nee, nur angeklagt. Ist auf Kaution draußen... :pfeiff:


    Diese geführten Touren sind ja schon ziemlich speziell, als New York Anfänger habe ich mich da noch nicht recht dran getraut.


    Ach, die sind echt super für jeden! Kann ich nur empfehlen. Man muss halt Zeit dafür haben. Und Free Tours hat auch einige Touren zu den "üblichen" Sehenswürdigkeiten im Angebot.


    Vor kurzem habe ich noch einen Artikel (in der FAZ?) gelesen, in dem über die starken kulturellen Gegensätze in Williamsburg in dem Grenzbereich des jüdisch-orthodoxen Viertels zum Rest-Wiiliamsburg mit seiner jungen hippen Bevölkerung berichtet wurde. Und jetzt stellst Du uns die Gegend vor :!!


    Das ist interessant! Du hast nicht zufällig noch nen Link zu dem Artikel, oder? Das war wirklich unglaublich, wie man sich da von einem Häuserblock auf den anderen in einer anderen Welt fühlte. Hab mich gar nicht mehr getraut zu fotografieren... :schaem:


    Puh, Bettwanzen sind ja wirklich unschön. Und eine Erkältung im Urlaub auch. Ich hoffe sehr, dass Euch beides nicht zu sehr beeinträchtigt hat.


    Das mit den Bissen hat ein bisschen genervt, zumal die anti-allergischen Salben mit ihrem Cortison-Gehalt von 1% halt null helfen... Conny ging es zum Glück bald besser.

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