Vor der Reise
Ich entdeckte ein Angebot für eine Woche Kreuzfahrt nach Norwegen, Schweden und Dänemark im April 2014 für einen günstigen Preis und einer interessanten Route, schlug gleich zu und buchte die Kreuzfahrt mit der "MS Azores" von der ich vorher nie gehört hatte.
Auf das Schiff war ich gespannt, wenn es schreiben könnte würden wahrscheinlich viele spannende Bücher entstehen. Als Passagierschiff "Stockholm" wurde es 1946 in der Werft Götaverken in Göteborg gebaut und ist damit das längste im Dienst befindliche Transatlantik-Schiff der Welt. 1956 traf sie sich ungeplant mit der "Andrea Doria" und versenkte sie, dabei gab es leider Todesopfer. 1960 wurde sie an die damalige DDR verkaufte und tat als "Völkerfreundschaft" ihre Dienste für verdiente Genossen.
Nach weiteren turbulenten Jahren (unter anderem eine Unterkunft für Asylbewerber) wurde das Schiff komplett umgebaut, es verblieb nur der Schiffsrumpf. So richtig glücklich wurde damit niemand, einen längeren Besitzer gab es nicht. Wegen offener Forderungen von Gläubigern der Reederei wurde das Kreuzfahrtschiff im September 2012 in Marseille arrestiert und später von der neu gegründeten Reederei Portuscale Cruises gekauft, die es in Azores umbenannte und von "Ambiente" in Deutschland vertrieben wird.
Ab März 2014 ist es dort im Einsatz, von den ersten fünf Reisen konnten zwei (wegen Passagiermangel?) nicht stattfinden. Bei meiner Reise gab es keine Zuschläge für Einzelreisende, eine Reduzierung gegenüber dem Katalogpreis und Kinder konnten umsonst mitfahren, immerhin waren ca. 350 Passagiere letztendlich auf dem Schiff inklusive 50 Kindern bei einer maximalen Kapazität von 550 Gästen.
Mit der Kabinenvergabe machte es die Reederei spannend, ich erhielt bis zuletzt keine Kabinennummer sondern nur eine "Garantiekabine". Die Begründung des Reisebüros hatte ich nicht verstanden da ich den Preis bezahlte der überall angeboten wurde. Im Freien würden die mich aber schon nicht schlafen lassen, da war ich mir eigentlich sicher.
Die Anreise
Die Kreuzfahrt startete in Bremerhaven, da ich im Rhein-Main Gebiet wohne war mir die Anreise am gleichen Tag zu anstrengend. So flog ich am Tag zuvor nach Bremen, schaute mir das tolle Überseemuseum an und hatte ein super Abendessen im "Das kleine Lokal", sehr zu empfehlen. Vorher wollte ich noch ein Bier in einer Kneipe trinken, aber in der Umgebung fand ich nur verrauchte Szenelokale mit dubiosen Namen. Etwas weiter mitten im einzigen Regen der Reise fand ich dann doch noch ein uriger Irish Pub wo ich plante mir nach dem Essen noch einmal Livemusik anzuhören. Ich war dann aber so müde nach den tollen Speisen dass ich in Bremen "statt Musikanten" mir nur noch einen Gin Tonic für stolze 9,70 € im guten Marriott Hotel direkt am Bahnhof gönnte.
Am nächsten Morgen ging es mit der Bahn nach Bremerhaven und nach einem Spaziergang zum "Natusch", einem alt eingesessen Fischrestaurant am Hafen. Leider hatte ich nach dem ausgiebigen Frühstück im Hotel noch nicht den richtigen Hunger, aber geschmeckt hatte der Angelschellfisch trotzdem und ich lernte bereits die ersten Mitfahrer auf dem Schiff kennen. Ein Pendelbus brachte mich danach zum gebuchten Schiff.
Die MS Azores
Nach dem schnellen Einchecken trank ich etwas im Terminal Café und bemerkte dass eine Passagierin ihr Handgepäck vergessen hatte. Die Dame an der Information fühlte sich dafür nicht so richtig zuständig und so betrat ich mit als letzter das Schiff bevor ich mit dem Kreuzfahrtdirektor klären konnte was mit dem Trödel passierte (wenn ich an den Inhalt denke wird mir jetzt noch schlecht, eine schwarze Banane und andere Ekligkeiten, wenn keine Medikamente dabei gewesen wären hätte ich die Ansammlung liegen gelassen oder als Abfall deklariert).
Nach Betreten der Kabine wusste ich sofort warum es ein Rätselraten um meine Kabine gab (alle anderen Koffer die ich nachschaute hatten eine feste Kabinen-Nummer und keiner der anderen Passagiere die ich kennenlernte hatte mehr bezahlt als die Sonderpreise), im unteren möglichen Deck ein Mini-Bullauge und ein Bad das wahrscheinlich ein Genosse benutzte und danach nicht mehr renoviert wurde. Weiterhin hörte ich die Zimmernachbarn plaudern ohne dass die geschrien hatten, das Schiff ist sehr hellhörig und in Deck Zwei waren zusätzlich noch laut die Motoren und die Klimaanlage zu hören. Ich war halt der "Billigheimer" unter allen, warum auch immer.
Das Bad unrein,
das Fenster klein,
der Lärm ist groß
was mach ich bloß?
Natürlich bin ich zum Kreuzfahrtdirektor, der sich noch viele andere Beschwerden als nur meine sich anhören musste, generell waren viele Passagiere unzufrieden mit dem Zustand und der Akustik der Kabinen trotz vielen Upgrades. Auf meine Frage ob er sich in das Bad legen wollte hatte er volles Verständnis und verneinte (auch wenn er von den vielen Reklamationen etwas genervt auf mich wirkte so souverän wie er sonst war, Eigenaussage von ihm: er hätte schließlich das Schiff nicht gebaut), ich musste aber noch zwei Nächte mich gedulden bis ich eine neue und saubere Kabine umziehen konnte. Diese war weiter oben und leiser mit einem grandiosen Ausblick auf das Rettungsboot, den Außenkabinenzuschlag hätte ich mir sparen können. Das nur Kälte aus der Klimaanlage gekommen war ist nur Nebensache, obwohl ich es zweimal meldete wurde der Schaden nicht repariert und so musste ich mich ordentlich anziehen um Nachts nicht zu frieren.
Beim Abendessen gab es bei mir eine weitere (leichte) Enttäuschung, von "freier Tischwahl" wie in der Kabine ausgeschrieben war keine Rede mehr, man wird täglich neu unglücklich platziert (zum Beispiel an Tischen wo bereits gegessen wird) und kann nicht mit den Personen zusammen sein mit denen man zusammen speisen möchte wenn man nicht gemeinsam kommt. Auch geschmacklich nicht gerade der Knaller, so wurden die Essen nur eine Nahrungsaufnahme und nicht mehr. Beim letzten Abendessen sah ich den Oberkellner das erste Mal, er hoffte dass das Formular für die Abschlusskritik (dass ich nie gesehen hatte) gut ausfallen würde. Nach meiner mit einem Lächeln versehenen und spaßhaften Antwort "Außer Essen, Trinken und Service war alles ok" freute er sich und ging weiter, ich merkte das Zuhören nicht gerade seine Stärke war.
Bei der Sicherheitskontrolle wurde nicht kontrolliert ob man daran teilgenommen hatte und die Vergabe der Rettungsboote war ungewohnt unpräzise ("die links sitzen nehmen Boot sieben", da denkt doch im Notfall keiner mehr dran). Ein Beispiel aus den Sicherheitshinweisen für Passagieren: "nicht auf dem Schiff Balkonen Schimpansen oder keine Aufzüge oder Schwimmbad unbeaufsichtigt nutzen", und das auf einem Schiff mit der Bordsprache Deutsch (wobei 80 % des Personals kein Deutsch können). Ich hoffe dass das Personal auf dem Schiff im Notfall besser geschult ist als der Übersetzer.
Die MS Azores war enttäuschend für mich und ich werde sie wohl nicht mehr buchen. Ich gönne dem Personal eine goldene Zukunft, bin dabei aber sehr skeptisch ob es was wird. Wie man so ein Bad einem Gast zumuten kann wird wohl das Geheimnis der Reederei bleiben.
Lysefjord
Das war das Tief der Reise, und jetzt das letzte unangenehme Thema. Bei der Route kannte ich vier von fünf Zielen nicht, auch ein Grund diese Reise zu buchen. Ausgeschrieben war ein Ausflug auf den Preikestolen, was mit ein Buchungsgrund der Reise war. Beim Ausflugsprogramm war davon leider nicht mehr die Rede, es wäre keine Zeit dafür was eigentlich im Vorfeld bekannt sein sollte (im Prospekt prangt ein tolles Bild davon). Als wir dann am Fjord und den Felsen vorbeifuhren (die Reiseleitung erkannte ihn nicht und trotz Ansprache von mir blieb er auf dem Hinweg unerwähnt) war die Wehmut groß, wie gerne hätte ich ihn bestiegen.
Nun wird es angenehmer und wir kommen zu den Hochs der Reise in vielerlei Hinsicht, denn langsam kam Freude auf, das Wetter war spitze und wir hatten eine tolle Aussicht auf die natürliche Felsplattform. Die Fjellkante fällt 604 Meter senkrecht in den fast 40 Kilometer langen Fjord ab, der Anblick war toll. Der ganze Fjord war sehenswert und damit hatte sich die Reise bereits für mich gelohnt. Die Besteigung des Preikestolen bleibt ein offenes Ziel für mich was ich in meinem Leben auf jeden Fall einmal machen möchte, hoffentlich habe ich dann so viel Glück wie hier mit dem Wetter.
Stavanger
Nun betraten wir erstmals Land während unserer Kreuzfahrt und ich freute mich auf den Erstbesuch von Stavanger, der Boomtown von Norwegen. "Öl" heißt das Zauberwort, die Stadt hat das größte Pro-Kopf Einkommen des Landes. Umfangreiche Renovierungsarbeiten sorgten dafür eine für Touristen äußerst interessante Stadt zu werden.
Wir legten direkt an der Alt-Stavanger an, ein Viertel mit über 200 Jahre alten Holzhäusern. Das Öl Museum (eine interessante Architektur) und den Dom schaute ich mir von außen an, spazierte den traumhaften Breiavatnet (ein kleiner See in der Mitte der Stadt) entlang und bestieg den Valbergtärnet, ein Brandwachturm mit schöner Aussicht auf die Stadt.
Der Tag war klasse und ich habe eine neue Lieblingsstadt entdeckt. Beim Bestellen von einem Bier stellte ich aber fest dass ich mir keinen längeren Aufenthalt dort leisten kann, neun Euro zeigen das Norwegen zu einem der teuersten Ländern zum Reisen gehört.
Kristiansand
Alle Ausflüge von der Reederei sagten wir nicht zu, und beim Studieren des Reiseführers fand ich nicht so viel Lohnendes anzusehen in Kristiansand. So mietete ich mir einen Leihwagen und fuhr zum Lindesnes Leuchtturm, der südlichste Punkt des norwegischen Festlandes. Dieses Attribut war mir egal, aber der Ort ist wirklich schön und malerisch. Viele Parkplätze zeigen dass im Sommer Betrieb ist, im April war ich der einzige Besucher, mir hat es dort gut gefallen. Wer von Kap-zu-Kap will muss mehr als 2.500 Kilometer zurücklegen was sich zu Fuß bestimmt etwas zieht.
In den nahegelegen Ort Mandal war ich schnell, hier ist der Sjøsanden, Südnorwegens größter und schönster Badeort. In der Nähe befinden sich noch etliche kleine einladende Strände die mit einem gut ausgebauten Wanderweg verbunden sind, das Spazieren dort hat mir Spaß gemacht. An Baden war natürlich nicht zu denken, dafür war ich wieder alleine um die Natur genießen zu können.
Nach einer kurzen Kneipentour in Kristiansand (zwei Kneipen, zwei Bier, zwanzig Euro) ging es wieder zurück auf das Schiff, von der Stadt selbst habe ich nicht viel gesehen aber das Gefühl auch nicht viel verpasst zu haben.
Oslo
Die einzige Stadt in der ich auf dieser Route bereits war ist Oslo. Anfänglich wusste ich nicht so recht was ich unternehmen wollte, aber dann fand ich doch einige neue Ecken die ich noch nicht kannte.
Ich fuhr mit der Fähre nach Bygdøy, eine Halbinsel mit schöner Landschaft und einigen Museen. Als Grönland Fan war es dann naheliegend das "Frammuseet" zu besuchen das um das Polarschiff "Fram" herum gebaut wurde. Das Schiff diente u.a. Nansen und Amundsen zu Forschungsreisen nach Grönland und zu den beiden Polen. Die Fram ist vollständig erhalten und komplett begehbar (die Betten waren überraschend alle sehr klein, "große" Forscher hätten ihre Probleme gehabt) und war für mich ein attraktives und interessantes Ziel.
Danach marschierte ich etwas auf den Dächern von "Den Norske Opera & Ballett" herum was ausdrücklich erlaubt ist. Das Opernhaus sieht so aus als ob es der Sydney Opera House Konkurrenz machen will und ist in der Tat futuristisch und sehenswert. Das Rathaus dagegen kann man kaum als "Schön" oder "Kunstvoll" bezeichnen, es prägt das Stadtbild und als Merkmal fällt mir höchstens "Ungewöhnlich" ein, manche nennen es auch hässlich.
Alles andere als hässlich ist die Akershus Festung wo unser Schiff anlegte, eine Burg mit einem Schloss im Innern und toller Aussicht auf die Stadt und Umgebung. Ich hatte in Oslo nichts erwartet, dafür wurde umso mehr geboten und ich war positiv überrascht über den gelungenen Tag.
Göteborg
Etwas Euphorie wurde mir wieder genommen als ich erfahren hatte dass wir in Göteborg nicht in der Stadt sondern fünfzehn Kilometer entfernt anlegen würden und wir einen Shuttlebus benötigen. Die zehn Euro Kosten waren mir egal (im Gegenteil zu vielen anderen Passagiere die das empörend fanden), aber die verlorene Zeit ärgerte mich. Ich hatte vor mit einer Fähre kleinere Schäreninseln abzufahren und zu besichtigen, ob das von der Zeit her noch möglich war konnte ich nur vor Ort feststellen.
Zum Glück konnte ich den ersten Shuttlebus buchen, bis ich in der Stadt war zog sich trotzdem etwas. Mit etwas Pech verpasste ich einen früheren Bus zu der Fährstation und dort angekommen sah ich gerade eine Fähre abfahren und musste eine halbe Stunde auf die nächste warten, Zeit zum Aussteigen auf einer der Inseln hatte ich damit leider nicht mehr. Die zweistündige Fahrt hatte sich aber trotzdem gelohnt, es wurden viele kleine Häfen angefahren und die Blicke auf die kleinen Inseln waren nett, die Schärengarten haben mir gut gefallen.
Von der Stadt habe ich aus Zeitnot nicht viel gesehen, die groß gelobte Fischhalle fand ich enttäuschend klein. Bedeutende Sehenswürdigkeit habe ich wissentlich nicht verpasst, die paar Einblicke hatten mir gereicht und einen Wunsch wiederzukehren habe ich im Moment nicht.
Esbjerg
Von der Stadt Esbjerg hatte ich mal gehört, mehr aber auch nicht im Vorfeld der Reise. Dort angekommen war ich angenehm überrascht mit einem schönen Stadtbild und paar Sachen die man nicht so oft sieht. Eine Passagierin überredete mich zum Besuch des Kunstmuseums (glaube das erste in meinem Leben) und das habe ich nicht bereut, es hat eine angesehene Sammlung moderner Künste und im Moment eine Sonderausstellung "COLOUR ME IN" die mir sehr imponiert hatte. Das experimentelle Spiel mit Farben und Eindrücken hatte mich sehr in den Bann gezogen.
Vier Kilometer von der Stadt entfernt stehen (vom Schiff bei der Anreise bereits gut sichtbar) vier neun Meter hohe Männerstatuen, "Der Mensch am Meer" genannt. Die sehenswerte Skulptur schildert die Begegnung des reinen, unverdorben Menschen mit der Natur und ist ein Wahrzeichen der Stadt. Es dauert etwas bis man ein Bild ohne Menschen von der Monumentalskulptur machen kann, irgendeiner steht immer im Wege (wie ich auch) um sich die weißen Männern anzuschauen.
Die Heimreise und das Fazit
Zeit hatte ich aber genug, denn in Esbjerg endete geplant meine Kreuzfahrt. Durch den nahe gelegenen Airport Billund bin ich schneller von dort nach Hause als von Bremerhaven, dem regulären Ende der Reise. Um genug Zeit vor Ort zu haben entschied ich mich dort zu übernachten was sich lohnte. Mein kulinarischer Abschied endete in dem guten Restaurant "Sand's" mit einer sehr leckere Roulade von der Scholle mit Kräutersoße. Danach ging es in den Keller meines Hotels zu Livemusik und bezahlbaren Bieren, so hatte ich am Ende statt der Bremer- die Esbjerger Stadtmusikanten angehört und den Kreis der Reise geschlossen.
Das Wetter war die Wucht, damit hätte ich nie gerechnet und hat die Reise zu einem schönen Erlebnis gemacht. Auch die Ziele die ich nicht kannte haben mich angenehm überrascht und mir dem Norden wieder etwas näher gebracht. Da waren die Ereignisse auf dem Schiff nur Nebensache und schnell vergessen.
Danke für das Lesen und liebe Grüße
Gerald