Der PRINCE WILLIAM SOUND - Alaskas widerspenstiges Paradies


  • Habt ihr im Kajak auch geschlafen? ?( :pipa: Ich bin schon so neugierig. :gg:


    :MG: :gg: :MG: :gg: :MG: :gg:


    Neee, schon allein der Gedanke zaubert mir gerade ein breites Grinsen ins Gesicht. Obwohl, wenn man es leerräumt, würde der Platz sogar ausreichen...


    Aber nein- diese Boote haben zwei hintereinander angeordete Sitze und das wars dann auch, es fehlt da allein schon an einem Anker.
    Selbst unterwegs auf See mal aufstehen ist eher ein Ding der Unmöglichkeit.


    Wir mussten uns jeden Tag im Regenwald ein campbares Ufer suchen, was im Klartext heißt: einen Stellplatz für das Zelt, minimal 100 Meter davon entfernt einen Lagerplatz, einen sicheren Liegeplatz für den Kajak und last but not least einen Baum mit einem entsprechend starkem Ast, der unseren gesamten Proviant trägt (Bärengebiet).


    Wie ihr bald lesen werdet, war das teilweise alles andere als einfach und artete tagtäglich in echte Arbeit aus... :wink4:

  • ich habs mir grad überlegt, ich hau gleich noch einen raus ;) :


    Here we go:


    2010:


    Ein imaginäres Fischerdorf in Alaska: Reihen bunter Holzhäuser stehen dicht gedrängt am Ende eines stillen Fjordes. Über dem tiefblauen Ozean schwebt schwerelos, einem Seidentuch gleich, eine dünne Schicht Seenebel, der gerade von einem startenden Wasserflugzeug zerstäubt wird. Weit verstreut dümpeln glitzernde Eisberge träge dahin. Schneebedeckte Gipfel begrenzen die Szenerie in einem 360° Winkel und im Schatten der Berge wälzt sich kalt und unnahbar ein Gletscher ins Tal. Im Hafen liegen blankgeputzte Fischerboote und mondäne Yachten, die Namen tragen wie “Princess Of The Sea”, “Oceans Elite” oder “Comfortina”. Zwischen den Schiffen zieht Buddy, ein Stellerscher Seelöwe seine Bahnen. Er wartet geduldig auf seinen Anteil am täglichen Fang, den die Fischer extra für ihn ins Wasser werfen. Entlang der Hafenprommenade reihen sich Cafes und kleine Läden aneinander. Noble Restaurants bieten all das feil, was das Meer an Köstlichkeiten bereithält: frittierter Heilbutt, fangfrischer Lachs und die stattlichen Königskrabben stehen auf den Speisekarten.
    Sommerlich gekleidete Besucherscharen ziehen durch die Straßen und engen Gassen, buchen Ausflüge zu den im Umkreis liegenden Gletschern und Fjorden, bestaunen den größten Heilbutt des Tages oder stöbern in Souvenirshops nach indianischen Schnitzereien, die vornehmlich Bären und Adlers zeigen (der Made in China Aufkleber wird dabei ganz gerne übersehen…).
    Hinter dem Ort schwingt sich eine Serpentinenstraße hinauf in die Berge. Von dort oben genießt man einen Blick, über den sich ein Schriftsteller an dieser Stelle zu den schwülstigsten Wortschöpfungen hinreißen ließe.


    Whittier ist nichts von alledem, Whittier hat nichts von alledem.
    Weit abseits, am Ende einer Sackgasse gelegen, hat es den Anschein, als wolle man sich vor der Öffentlichkeit verstecken. Abgekapselt von jeder bequemen Erreichbarkeit führt der kleine Ort mehr als ein Schattendasein.
    Beinahe krampfhaft klammert es sich an einem schmalen Uferstreifen fest und man könnte meinen, das Regenwasser, das hier tagein tagaus in Strömen durch die löchrigen Straßen rinnt, ist kalter Angstschweiß. Ausgelöst von der unsichtbaren Gefahr einer Sturmflut, einer Monsterwelle oder eines Murenabganges, der die wenigen Häuser auf nimmer Wiedersehen in den Tiefen des Meeres verschwinden lässt.


    Traurige Ironie der Geschichte: der durch das Karfreitagsbeben im Jahre 1964 ausgelöste Tsunami schaffte es fast Whittier von der Landkarte zu radieren.


    Doch zunächst dürfte das Gros der wenigen Besucher froh sein, das Tageslicht wieder zu erblicken. Seit nunmehr 11 Jahren ist der Ort an das Alaska Straßensystem angeschlossen. Zwar existiert der Anton Anderson Tunnel schon seit 1943, jedoch als reiner Eisenbahntunnel.
    Inzwischen wurden die aufklaffenden Lücken zwischen den Gleisen notdürftig geschlossen, eine funzelige Beleuchtung installiert und die über vier Kilometer lange Röhre abwechselnd für den Auto- und Zugverkehr freigegeben.
    Trotzdem bleibt die Fahrt unter dem Maynard Mountain hindurch ein kleines Abenteuer. Zu schmal ist die düstere Röhre, zu dominant das Trommelfeuer der von der Tunneldecke herab schießenden Wassertropfen und zu weit ragen immer wieder massige Felsvorsprünge in die Fahrbahn hinein, als das sich ein entspanntes Fahrgefühl einstellen würde.
    Die von Behördenseite vorgeschriebene Schleichfahrt tut da noch ihr übriges.
    Kaum hat man diesen kleinen Nervenkitzel heil überstanden, fallen den Neuankömmlingen auch schon die beiden Wahrzeichen von Whittier ins Auge.
    Zum Einen, ein in dieser Ecke der Welt reichlich deplaziert wirkendes Hochhaus. Darin wohnen die 182 Einwohner Whittiers quasi alle unter einem Dach. Es wurde von denselben Leuten errichtet, die sich anschließend daran machten die Tunnelröhre zu graben.
    Das andere verblüffende Bauwerk ist ein abgrundtief hässlicher, mehrstöckiger Betonkomplex, der hinter dem Ort an einer Bergflanke aus dem Wald ragt. Diese morbide Mischung aus Bates Motel und einem Mahnmal gegen den Atomkrieg ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, als Whittier in erster Linie eine versteckte Militärbasis war. Hier, hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen, konnte sich die Army selbst bedauern, in den Nebel starren und in aller Ruhe ungestört ihren Feindbildern nachhängen.
    Es ist bereits nach 18.30 Uhr an diesem 7. August 2010 als wir in Whittier einlaufen. Es regnet. Genau so wie es hier gestern geregnet hat und vorgestern und an den Tagen davor ebenso. Ganze dreißig klare Tage hat Whittier vorzuweisen. Im Jahr. Zum Vergleich: in Island, der Schlechtwetterküche für ganz Europa, scheint doppelt so häufig die Sonne.


    Die nachfolgenden Autos der Tunnelkolonne treiben uns durch den Ort. Wir passieren die Waterfront, die eigentlich nur aus einem großen Parkplatz besteht, können einen ersten Blick aufs Meer werfen und landen dann unvermittelt auf dem Gelände der örtlichen Fischfabrik. Wir wenden, überqueren die Bahnschienen und kommen am Hotel “Arctic” vorbei, dessen beste Jahre nach der abgewitterten Fassade zu urteilen auch schon länger vorbei sein müssen. Es folgt das Hochhaus, bevor die Straße noch einmal über die Gleise führt und danach sich ohne Umschweife erneut dem Tunnel zuwendet.
    Whittier: Ende.
    Etwas verdattert kehren wir erneut um und fahren die Schleife ein zweites Mal. Diesmal entdecken wir ein kleines Schild, dass hinter dem Hochhaus auf einen Campingplatz verweist. Dort angekommen, bereuen wir das erste Mal die Entscheidung, heute noch nach Whittier gefahren zu sein. Der Platz ist unmöglich. Das Areal schwingt sich mit kühnem Schwung weit einen Berghang hinauf, dennoch liegen die einzelnen Parzellen dicht gedrängt beieinander, lediglich abgetrennt von ein paar Büschel hohem Gras, dessen Halme sich regennass bis zum Boden neigen. Die einzige ebene Fläche ist ein mit Pfützen übersäter Schotterplatz, der von weitem ausschaut, wie eine Luftaufnahme der finnischen Seenplatte.


    Im Randbereich dieser Wasserwüste gammelt ein Überseecontainer vor sich hin, daneben warten drei windschiefe Dixieklos auf Kundschaft. Wie wir sofort messerscharf kombinieren, brauchen wir nach weiteren sanitären Annehmlichkeiten wohl kaum Ausschau halten. Doch halt … beinahe wäre mir doch der munter dahin schießende Sturzbach durch die Lappen gegangen, der den Campingplatz auf seiner rechten Seite begrenzt. Waschgelegenheiten wären dann also doch verfügbar.
    Nun sollte man meinen, dass nur Irre und treudoofe Touristen freiwillig auf solch einem Platz übernachten, doch weit gefehlt: es wird voll heute Abend. Wenn vor Alaskas Küsten der Lachs unterwegs ist, dann würden die Einheimischen auch in einer halbvollen Fischkiste schlafen, wenn sie das am nächsten Morgen nur pünktlich zum Angeln bringt.
    Und so stehen riesige Wohnmobile wie ein überdimensionales Tetris dicht gedrängt beieinander, zwischendrin keilen allerlei Wasserfahrzeuge, angefangen vom kleinen Zweimann-Aluminiumboot bis hin zur sündteuren 12 Meter Yacht. Von weitem schaut der Campingplatz einer mittelalterlichen Wagenburg nicht unähnlich und wenn man ganz genau hinschaut, entdeckt man mittendrin, versteckt unter einer großen, grünen Plane, ein einsames, kleines, unscheinbares, bedauernswertes Zelt - unser Domizil.

    Wir machen drei Kreuze, dass wir bereits in Anchorage unsere Bäuche mit Pizza voll gestopft haben, wohl wissend, dass die kommenden Tage eher im Sternzeichen Nudel angesiedelt sein werden.
    Trotz der widrigen Umstände wollen wir aber nicht gleich am ersten Abend den Grundlagen der Körperpflege abschwören, auch wenn es sich auf den absoluten Minimalaufwand, das Zähneputzen, beschränken wird. Als wir dann jedoch im schwindenden Tageslicht nach vorn gebeugt, leicht fröstelnd im kalten Nieselregen stehen und eisiges Zahnputzwasser aus einer Pfütze schöpfen, hoffen wir insgeheim, dass dies doch bitte bereits den Tiefpunkt dieser Reise darstellen möge und es fortan steil bergauf geht.
    Wenn wir wüssten…

    • Offizieller Beitrag

    Als wir dann jedoch im schwindenden Tageslicht nach vorn gebeugt, leicht fröstelnd im kalten Nieselregen stehen und eisiges Zahnputzwasser aus einer Pfütze schöpfen,


    Deswegen haben wir das mal mit so einem Boot gemacht, das hat wenigstens auch eine Heizung und einen Anker. ;;NiCKi;:


  • Beschrieben ist das wirklich KLASSE :clab: , doch ich hätte NIX gegen ein paar Bildchen :pfeiff: .


    LG,


    Ilona


    Es ist der einzige Beitrag ohne Bilder - Ich schwör... ;;NiCKi;:

    Zitat von »Red Rocks«




    Als wir dann jedoch im schwindenden Tageslicht nach vorn gebeugt, leicht fröstelnd im kalten Nieselregen stehen und eisiges Zahnputzwasser aus einer Pfütze schöpfen,


    Deswegen haben wir das mal mit so einem Boot gemacht, das hat wenigstens auch eine Heizung und einen Anker. ;;NiCKi;:

    Hehe, ich kenn deinen RB von der Sunshine Coast sehr gut.. als ich im Eingangsposting von den zwei Interessenten schrieb, die sich das hier freiwillig zu Gemüte führen würden, warst du einer davon... :!!


    Ich hatte echt so meine Zweifel, wie solch ein ausgewachsener Wildnistrip fernab von Red Rock Country hier im Südwestforum angenommen werden würde.

  • Ich hatte echt so meine Zweifel, wie solch ein ausgewachsener Wildnistrip fernab von Red Rock Country hier im Südwestforum angenommen werden würde.


    Liegt Alaska nicht auch im Südwesten ;);haha_ ? Also ganz so verbohrt sind wir doch auch nicht :pfeiff: .


    LG,


    Ilona

  • Ich hatte echt so meine Zweifel, wie solch ein ausgewachsener Wildnistrip fernab von Red Rock Country hier im Südwestforum angenommen werden würde.


    Wenn man erst im 15. Posting erfährt warum es eigentlich geht, finde ich das persönlich nicht optimal um die Leute zum Reisebericht lesen zu animieren ;)


    Ich springe auch noch mit ins Faltboot :!!:gg:

    • Offizieller Beitrag

    als ich im Eingangsposting von den zwei Interessenten schrieb, die sich das hier freiwillig zu Gemüte führen würden, warst du einer davon...


    :gg::ohje:

    • Offizieller Beitrag

    Na, da hatte ich ja Recht: eine Schiffsreise :D


    Klasse, dass ihr Euch das traut, aber es kann nur ein grossartiges Erlebnis werden, vielleicht ein kaltes, aber ein Erlebnis. :!!



  • Am nächsten Tag starteten wir voller Enthusiasmus gut gelaunt in ein lang geplantes Kajakabenteuer. Wir hatten vor, zwei Wochen lang den Prince William Sound zu erleben und dabei die Abgeschiedenheit und die Wildheit dieser Gegend im Rhythmus des Paddelschlages zu erfahren.
    Doch Alaska hatte andere Pläne mit uns:
    Gleich nachdem wir Whittier verlassen hatten setzte Regen ein, der, sieht man mal über die sechs Stunden am dritten Tag hinweg, über Wochen nicht aufhören sollte. Stattdessen bewegten wir uns die ganze Zeit wie in einem großen, grauen Ei, dessen Rand man nie erreicht.


    Doch damit nicht genug.
    Gleich in der ersten Nacht statuierten die Gezeiten ein Exempel an uns. Um kurz nach Mitternacht erreichte die Flut unser Zelt, in dem wir friedlich schlummerten. Da das Wasser zu diesem Zeitpunkt noch über eine halbe Stunde steigen sollte, blieb uns nichts anderes übrig, als mit Sack und Pack umzuziehen, nur weg vom Meer. Als das geschafft war, gaben wir beide ein jämmerliches Bild ab: frierend und nass bis auf die Knochen hockten wir unter unserem Tarp, bereits von ersten Zweifeln angenagt.


    Für die nächsten Tage verbarrikadierten wir uns auf einer kleinen, felsigen Insel und konnten nichts anderes tun, als dem Regen zuzuschauen, wie er die Welt um uns herum versuchte zu ersäufen.
    Am sechsten Tag fällten wir eine Entscheidung, die den Abbruch unserer Tour zur Folge hatte. Die Mehrzahl unserer Ausrüstung war klamm oder gar nass. In dem feucht-kalten Meeresklima gelang es uns nicht im Ansatz, irgend etwas wieder so zu trocken, dass es bedenkenlos benutzt werden konnte.


    Trotzdem mussten wir weiter auf unserem Island ausharren, da der Wetterbericht stürmisches Wetter mit einem Seegang von bis zu 1,20 Meter vorhersagte.
    Enttäuscht und desillusioniert packten wir im ersten Grau des siebten Tages unseren Krempel zusammen und paddelten durch eine aufgewühlte See zurück nach Whittier. Das Nest war bei unserer Ankunft derart am absaufen, dass eine absurde Ähnlichkeit mit Venedig kaum zu verleugnen war.


    Drei Tage später verließen wir Alaska wiederum auf dem Alaska Highway. Auf der Fahrt nach Süden versuchten wir verzweifelt dem goldenen Herbst hinterher zu reisen, ein Wettlauf, bei dem wir keine Chance hatten. In Jasper mühte sich das Thermometer Mitte August 2010 auf gerade noch 3° Celsius und in Lake Louise lag bereits schwerer Schnee in den Tälern.


    Das Land erlebte den frühesten Wintereinbruch seit Jahren…



    17.Juli 2012


    Wir sind zurück in Alaska - zum Äußersten entschlossen, bis in die Haarspitzen motiviert.
    2012 werden wir dem Prince William Sound eine Abfuhr zu erteilen.
    Diesmal würde es uns gelingen, der Landschaft ihre Geheimnisse zu entlocken, wir würden standhaft jedes Regentief aussitzen, wir würden es mutig mit rauer See aufnehmen und der Wildnis trotzen.
    Aufgeben ist keine Option!


    Mittlerweile betrachten wir das Desaster von 2010 mit anderen Augen.
    Dank dieses verkorksten Trips können wir nun aus einem wahren Füllhorn an Erfahrungen schöpfen. Erfahrungen, die in keinem Buch stehen und die man nicht erklären, sondern nur am eigenen Leib erfahren kann.
    Wir haben unsere Ausrüstung optimiert, manches fiel heraus, anderes kam hinzu. Wir fühlen uns besser den je für die kommenden Herausforderungen gewappnet.



    Als wir den Anton Anderson Tunnel verlassen, blendet uns grelles Sonnenlicht. Betrachtet man die zurückliegenden vier Wochen, in denen Whittier permanent ein Ort ohne Schatten gewesen war, so lässt das Wetter heute nur einen Schluss zu: der Sommer hat ein schlechtes Gewissen.


    Wir ignorieren Whittier und biegen stattdessen direkt nach dem Tunnel scharf links ab. Eine Holperstraße bringt uns an das hintere Ende des Passage Canals, wie der Fjord, an dem Whittier liegt heißt.




    Ein scharfer, eisiger Wind pfeift uns um die Ohren, als wir gebannt den Blick über die weite Wasserfläche hinüber zu der wilden Ansammlung von Häusern auf der anderen Fjordseite schweifen lassen. Hinter dem Ort schwingt sich das Gelände in kühnem Schwung den Berg hinauf. Der dichte, dunkelgrüne Nadelwald wird bald von tundrahaften Matten abgelöst, die von großflächigen, unberührten Schneefeldern durchsetzt sind, die ihrerseits gleißend hell in der Sonne leuchten. Darüber schließt sich eine frappierend schöne Hochgebirgszone an, die wir in dieser klaren Reinheit so noch nie bewundern durften.


    Mit einer Art euphorischer Vorfreude auf das bevorstehende Abenteuer machen wir unseren Kajak abfahrtbereit.
    Danach entspannen wir im Windschatten einiger Bäume und sehen der Sonne dabei zu, wie sie mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit auch die letzten Schleierwolken auflöst und fortan von einem blank geputzten Firmament auf uns herab scheint.






    Gegen 14 Uhr wird es ernst.
    Die Gezeiten haben ihren Höchststand erreicht, in den kommenden sechs Stunden wird das Wasser wieder aus dem Passage Canal abfließen und wir werden uns diese Kraft zu Nutze machen. Immerhin müssen wir mehr als 250 Kilogramm Bootsgewicht mit unseren Armen voran bringen, da ist jede noch so geringe Unterstützung willkommen.


    Die ersten Meter auf dem Wasser sind für uns so aufregend wie die erste Karussellfahrt für ein Kind.
    Das Meer gibt sich durchweg zahm, lediglich auf die anrollenden Wellen der an uns vorbei ziehenden Schiffe müssen wir acht geben. Der Passage Canal ist die mit Abstand am häufigsten befahrene Wasserstraße im westlichen Prince William Sound. Angefangen von kleinen, offenen, aber hoch motorisierten, privaten Fischerbooten, über die wesentlich größeren Freizeityachten bis hin zu riesigen kommerziellen Fischtrawlern - alle benutzen diesen Fjord um Whittier und somit den Anschluss an das Straßennetz Alaskas zu erreichen.



    Wenn jedoch die berühmte, blaue Fähre am dunstigen Horizont auftaucht, dann kann sie sich unserer ungeteilten Aufmerksamkeit sicher sein. Dieses Schiff ist aus Kajakperspektive nur mit einem Wort treffend zu beschreiben: riesig!
    Und die Bugwelle dieses Ungetüms ist alles andere als ungefährlich. Dann heißt es beidrehen und warten. Kurz darauf werden wir von einer unsichtbaren Macht angehoben, gleiten danach sanft in ein Wellental, was den Verursacher der Woge kurz aus dem Blickfeld geraten lässt und erleben dann, wie sich die geheimnisvolle Kraft an der felsigen Steilküste mit einem lauten Krachen und wild aufspritzendem Wasser entlädt.
    Danach ist alles ruhig und wir können unsere Fahrt fortsetzen.



    Nach einiger Zeit steuern wir auf zwei dicht beieinander liegende Wasserfälle zu, deren Wasser einem hoch oben in den Bergen befindlichen Eisfeld entstammen und um die eine so genannte “Kittiwake Rookery”, eine Möwenkolonie entstanden ist.



    Je näher wir dem Szenario kommen, desto höher steigt der Geräuschpegel.
    Alles krächzt und schreit wild durcheinander, als wollte man das wilde Rauschen der beiden tosenden Fälle um jeden Preis übertönen. Dabei ist die schiere Anzahl der anwesenden Vögel überaus beeindruckend. Jeder winzige Felsvorsprung dient als Sitz- oder Ruheplatz, jede noch so kleine Nische im Fels wurde in eine Kinderstube verwandelt.

    Da dieser Ort auch olfaktorisch einiges zu bieten hat, setzen wir alsbald unsere Fahrt fort.



    Wir passieren den imposanten Billings Gletscher, der hoch oben in den Bergen liegt und seine eisige Zunge nicht bis ins Meer streckt.



    Als die Schatten langsam länger werden, wird es Zeit, nach einem geeigneten Platz für die erste Nacht Ausschau zu halten.
    Wir steuern die Poe Bay an und werden auf einem etwas erhöht liegenden, felsigen Podest recht schnell fündig.
    Was wir aber auch finden, ist vertrockneter Seetang.
    Ein sicheres Zeichen, dass die Flut auch diesen Bereich ab und an erreicht. Dennoch entscheiden wir uns für diesen Platz.



    Schnell verlassen die wärmenden Sonnenstrahlen die tieferen Lagen der Poe Bay und verströmen ihr goldenes Licht nur noch an den Bergflanken über unseren Köpfen.
    Die Kälte der Nacht legt sich wie ein schweres Tuch über die Bucht und überzieht alles mit einer Schicht aus dicken Tautropfen.


    Wir stapeln unseren Proviant auf einem Felsen zu einem hoch aufragenden Turm und platzieren an dessen Spitze einen unserer Kochtöpfe, in den wir zuvor eine Handvoll Steine gelegt haben. Sollte sich während der Nachtstunden ein ungebetener Gast daran zu schaffen machen, dann würde als erstes dieser Topf laut scheppernd zu Boden fallen und im besten Fall den Eindringling verschrecken. Würde das nicht reichen, müssten wir dann noch ein bisschen nachhelfen. Diese Notlösung würde die erste Zeit zum Einsatz kommen müssen, da wir jetzt noch mehr als 50 Kilogramm an wohlriechender Nahrung mit uns führen und dieses Gewicht ohne Hilfsmittel kaum in einen sicheren Abstand zum Boden zu hieven ist.
    Meist fehlt es aber bereits an einer der Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Bärenhang: einem passenden Baum.



    Dick eingehüllt sitzen wir an diesem ersten Abend in der Wildnis dicht an unserem kleinen Lagerfeuer, schauen hinaus auf den Passage Canal, wo der laute Bootsverkehr des Tages längst einer geheimnisvollen nächtlichen Stille Platz gemacht hat. Wir beobachten einen einsamen Weißkopfseeadler, der seine Bahn lautlos über uns hinweg zieht und dessen Silhouette sich noch gut gegen den Himmel abhebt.
    Irgendwo springt ein Fisch.

    Als die Flut das Wasser zu unseren Füßen nicht weiter steigen lässt, kriechen wir müde aber glücklich in die Schlafsäcke.
    Es folgt eine ruhige Nacht.


  • Wir sind zurück in Alaska - zum Äußersten entschlossen, bis in die Haarspitzen motiviert.


    Das war aber ne Trotzreaktion ;):gg::!!:clab: .


    Meist fehlt es aber bereits an einer der Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Bärenhang: einem passenden Baum.


    Uiih, vor den Bären hätte ich Schiss. Wenn der Kochtopf gescheppert hätte, wärt ihr dann echt vor den Bären gestanden ;][; ?


    Dick eingehüllt sitzen wir an diesem ersten Abend in der Wildnis dicht an unserem kleinen Lagerfeuer, schauen hinaus auf den Passage Canal, wo der laute Bootsverkehr des Tages längst einer geheimnisvollen nächtlichen Stille Platz gemacht hat. Wir beobachten einen einsamen Weißkopfseeadler, der seine Bahn lautlos über uns hinweg zieht und dessen Silhouette sich noch gut gegen den Himmel abhebt.
    Irgendwo springt ein Fisch.


    Das liest sich sowas von romantisch, doch das dick eingehüllt gefällt mir daran nicht :pfeiff: .


    Sag mal, hattet ihr für den Notfall ein Satellitentelefon mit dabei?


    LG,


    Ilona

    • Offizieller Beitrag

    Puh, das war aber eine gewaltige Entscheidung, die Traumtour abzubrechen, wo noch nicht mal richtig angefangen hat. :EEK:


    Als Entschädigung habt ihr jetzt das beste Wetter und könnt die Tour richtig geniessen. :!!


  • Hallo Ilona - schneller Fragen, schnelle Antworten: :!!


    Der Prince William Sound ist ganz klar ein Bärengebiet, wobei man zwischen dem westlichen und dem östlichen Teil unterscheiden muss: Im westlichen Sound dominieren Steilküsten, dafür gibt es hier nur Schwarzbären, im östlichen Sound ist es hingegen viel einfacher einen Paltz für die Nacht zu finden, da die Ufer allgemein wesentlich flacher ausfallen.Dafür treiben sich hier auch Grizzlys rum.


    Zu unserem Schutz hatten wir Bärenspray dabei, haben wann immer es ging auch tatsächlich alles in umliegende Bäume gehängt und auf ein sauberes Camp sowie die richtige Entfernung von Essplatz und Schlafstelle geachtet.


    Zusätzlich kam ein sogenanntes Marine Radio zum Einsatz, das ist ein kleiner Empfänger, etwa in der Größe eines Walkie Talkies. Damit kann man an den allermeisten Orten im Prince William Sound an 24h am Tag den Wetterbericht empfangen (sehr wichtig, auch Unwetterwarnungen erreichten uns so umgehend),man kann aber mit den Dingern auch senden.
    Jedes Schiff, was unterwegs ist, hat Kanal 16 eingeschaltet, den Notrufkanal. Die könnte man im Notfall anfunken. Wenn kein Schiff in der Nähe ist, kann man auch direkt bei Nothilfestationen anrufen, die wollen aber zuerst einmal deine Kreditkartendaten wissen, bevor sie einen Finger rühren. :pipa:

  • Puh, das war aber eine gewaltige Entscheidung, die Traumtour abzubrechen, wo noch nicht mal richtig angefangen hat. :EEK:


    Als Entschädigung habt ihr jetzt das beste Wetter und könnt die Tour richtig geniessen. :!!


    Hallo Toni, der Übergang von Traum- zu Albtraumtour war, (Achtung Ironie!) wie irgendwie alles damals, fließend.

    • Offizieller Beitrag

    Paddeln auf dem Meer :resp::resp:
    2010 sind ja einige Reisen ins Wasser gefallen.


    Bei schönem Wetter ist das alles ja seeeeehr nett. ;;NiCKi;:
    Wann erscheint das Buch? ;)

    • Offizieller Beitrag

    Da klemm ich mich mal rein.


    Habt ihr das Kanu Kayak 2010 wieder mit nach D-Land genommen oder habt ihr es dort deponiert ?

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