Die US Route 302 führt auf gut 170 Meilen von Portland an der Küste Maines nach Montpelier, der winzigen Hauptstadt von Vermont. Der wohl schönste Abschnitt sind die 30 Meilen durch die White Mountains zwischen Glen und Twin Mountain in New Hampshire. Wer die Gelegenheit hat, auf einer New England-Reise diese Route in die Planung zu nehmen, sollte das unbedingt tun. Die 302 lässt sich mit dem weiter südlich verlaufenden berühmten Kancamagus Highway und der Interstate 93, die durch den Franconia Notch State Park führt, zu einer wunderbaren Rundfahrt verbinden.
Wir nehmen den Exit 40 an der Interstate und fahren durch verschlafene Örtchen wie Bethlehem, die vor allem aus kleinen Inns und Bed & Breakfast-Pensionen bestehen, Richtung Osten. Kurz hinter Twin Mountain ist Bretton Woods erreicht - und damit das legendäre Hotel Mount Washington Resort.
Hier wurde 1944 das Bretton-Woods-Abkommen geschlossen, das den Dollarkurs fest an den Goldpreis band und damit der Finanzwelt nach dem Zweiten Weltkrieg einen Rahmen setzte. Der hielt bis 2008... Nein, schon Anfang der 70er Jahren scheiterte das System. Den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank, ebenfalls hier gegründet, gibt es aber immer noch.
Bei klarer Sicht - und die ist relativ selten - sieht man gut die Rauchwolken, die The Cog ausstößt, die kleine Zahnradbahn, die die Flanke des Mount Washington hinaufschnauft. Die Talstation ist nicht weit vom Mount Washington Hotel. Einfach am alten Bahnhof von Bretton Woods, der heute Fabyan's Station Restaurant beherbergt, von der 302 auf die Base Road abbiegen. Nach sechs Meilen ist der kleine Bahnhof erreicht.
Weiter auf der 302 passieren wir linkerhand den Saco Lake, dem der gleichnamige Fluss entspringt, und dem die weitere Route nun durch den Crawford Notch State Park folgt. Es locken einige Wanderwege, aber auch wer nur hier und da entlang der Straße hält, wird mit herrlichen Eindrücken belohnt.
Ein hübscher Ort für die Mittagspause ist zum Beispiel der Teich am Willey House. Hier wird der Saco das erste Mal gestaut, was vor allem die Enten freut. Familie Willey gehörte zu den ersten Siedlern in diesem Tal, kam jedoch im August 1826 ums Leben, als nach langer Dürre ein katastophales Unwetter gleich mehrere Erdrutsche auslöste und den Fluss über Nacht sechs Meter ansteigen ließ. Der Legende nach hatten die Willeys ihr Haus verlassen, um in einer vermeintlich sicheren Höhle Zuflucht zu finden, als sie von einer Lawine mitgerissen wurden. Das Haus überstand die Katastophe völlig intakt - ein Felsvorsprung über dem Anwesen hatte die Geröllmassen drumherum gelenkt. Erst 1898 zerstörte ein Feuer das historische Gebäude, an dessen Stelle heute ein Visitor Center steht.
Hinter der Grenze des State Parks wird der Saco River durch zahlreiche Zuflüsse immer breiter und biegt schließlich Richtung Osten ab. Die 302 folgt dem Fluss dabei und bald nähern wir uns Glen. Wo die Straße den Fluss quert, kommt man am Covered Bridge House vorbei, einem empfehlenswerten Bed & Breakfast.
Das Covered Bridge House darf sich als einziges B&B New Englands rühmen, eben eine eigene Covered Bridge auf dem Grundstück zu haben. Über die führte einst die 302, jetzt haben die neuen Besitzer darin einen Souvenirladen eingerichtet.
Wo die 302 schließlich mit der 16 zum Mount Washington Highway fusioniert, steht rechts der Straße ein großartiges Steakhouse: das Red Parka. So unscheinbar der Laden von außen wirkt - das Essen ist jeden Umweg wert und liefert das perfekte Ende für einen langen Tag 'on the road'.