Montag
Heute Nacht haben sich die Schleusen des Himmels noch kräftig geöffnet und wir genießen die frische Landluft bei angenehmen 75 Grad. Wolken verdecken den Himmel, als wir bei Pine Ridge die Schnellstraße verlassen und fast unmittelbar auf die ungeteerte Chimney Rock Road einfahren. Wir sind am Trailhead zum Princess Arch, den wir bereits nach 10 Minuten und 0,2 Meilen Wanderung erreichen. Ziemlich dunkel, fast wie verbrannt kommt sie daher, die Prinzessin. Der Bogen hat sogar einen wunderbaren Brotzeitfelsen an seiner linken Flanke, doch das Frühstück ist noch nicht verdaut.
Die Wege sind feucht und rutschig und die lästigen Viecher sind auch schon unterwegs. Auf dem jetzt noch gut sichtbaren Trail zum Cherokee Arch, der am gleichen Parkplatz wie der zum Princess Arch beginnt, lauert eine Schildkröte. Aber sie ist einfach zu langsam, um uns die Insekten vom Leib zu halten. Und dann verliert sich der Weg, er wird zum Pfad und der endet im Nichts. Na gut, dann versuchen wir es querfeldein und halten uns exakt an die GPS-Daten. Die Büsche werden immer dichter und es ist kaum mehr auszumachen, ob die inzwischen klitschnasse Kleidung vom Schweiß oder vom übrig gebliebenen Regen stammt. Eine Machete bräuchte man. Wir kämpfen uns aber brav weiter durch und dort, wo der Steinbogen sein soll, geht es nun noch zapfig in einen Canyon hinunter. Ich scoute alleine und genau am Ziel-Wegpunkt ist alles andere, nur kein Arch. Eineinhalb Stunden erfolgloses jagen, - tja, soll vorkommen.
Wir fahren zurück zum Highway 715 und besuchen die Fenster des Engels. Ja ist denn heut schon Weihnachten? Der kurze Weg, wunderbar erkennbar, führt uns an einer Felswand entlang zu einem Doppelarch, den Angel Windows. Der Engel läßt seine Flügel ganz schön hängen, aber der kleine Steinbogen ist nett. Das ist mal kein Gigant.
Als wir gestern den Heimweg antraten, haben wir ein Schild Whistling Arch gesehen. Er stand zwar nie auf unserem Plan, aber wenn man schon hier ist und etwas Zeit hat, dann geht ein echter Arch Hunter das auch an. Mitten in den Wäldern des Daniel Boone National Forest quält sich die rabenschwarze Schlange auf einen Baum. Darunter stehen zwei Menschen, die das Schauspiel beobachten. Good morning! Wir stellen uns dazu, denn wir sind auch neugierig. Man kommt ins Gespräch und es war wohl ihnen als auch uns klar, dass wir keine Amerikaner sind. Er erzählt, dass seine Frau die Schlange fast zertreten hätte - Brille vergessen! Und irgenwann habe ich dann doch gefragt und die Antwort war: "Remscheid, muss man aber nicht kennen". "Aber natürlich kennt man Remscheid!" Nein, wir sind keine Lügner, wir wollten nur nett sein. Wenig weiter, am Rande eines großen Felsens, der am Abhang zum Parched Corn Creek steht, hat sich ein Loch gebildet, das ziemlich rund ist. Wenn der Wind aus dem Canyon pfeift, pfeift auch das Loch. Es pfeift sozusagen aus dem letzten Loch.
Der Swift Camp Creek hat eine schmale, aber tiefe Furche in der Erde hinterlassen und die Rock Bridge Road führt bis zu einem Parkplatz an der Kante dieses Canyons. Gute drei Meilen geht es ungeteert, aber flott dort hin. Der Trail No. 207 führt uns durch einen Urwald, teilweise über Treppen hinunter zum Creek. Der Weg ist sogar oft geteert. Trotz der touristischen Voraussetzungen sind wir alleine, nur der Ruf der Tiere hallt aus dem Dschungel. Doch plötzlich liegen im Wald Zelte, ja sie liegen, Rucksäcke und sonstige Utensilien von Backpackern. Die hat es wohl heute Nacht weggeschwemmt. Als wir kurz danach an einen kleinen Sandstrand kommen, ja der gelbe Sand sieht mitten im nicht enden wollenden grünen Wald ungwöhnlich aus, sehen wir, dass die Familie trotz der nächtlichen Flut wohlauf ist. Die Kinder haben die höchste Freude an dem Wasserfall, am Strand und am Flußlauf. Kurze Zeit später sind wir in Venedig. Die Rock Bridge sieht wie die Rialtobrücke aus. Sie überspannt den Swift Camp Creek, der hier ruhig wie ein See in seinem Bett liegt. Schön ist es hier. Nach knapp 1,5 Meilen Rundweg ohne Pannen und Hindernisse sind wir wieder am Auto.
Es ist erst 14 Uhr und wir beschließen noch eine Wanderung zu machen. Die Twin Nada Arches liegen am Moreland Branch und das erste Mal haben wir gleich die Einfahrt verpasst, die zwischen den Häusern nach links in die Wild Cat Ridge führt. Eine halbe Meile weiter endet die Straße an einem Elektrogenerator. Wir wenden und nehmen nach wenigen Metern eine Einfahrt. Unmittelbar daneben befindet sich in Archrichtung eine Schranke: privates Land. Ich quäle mich mit den Flip-Flops an der Sperrung vorbei und steige hoch. Es sind nur rund 50 Meter bis zum Nada East Twin Arch. Die Ridge, die auf ihm draufsitzt ist rund 10 Meter hoch, aber der Durchbruch reicht, um erhobenen Hauptes auf die andere Seite zu kommen.
Auf der Heimfahrt blitzt ganz kurz die Sonne durch, ansonsten war es den ganzen Tag bewölkt. Aber zum Wandern war's wirklich angenehm. Und nun wollen wir mal nach den Angaben in der Empfehlung des Hotels den besten Italiener von Winchester besuchen. Ich freue mich auf eine schöne Vorspeise, vielleicht dann Fisch und eine Flasche Wein dazu. Das ist ein würdiger Abschluß des Wandertages. Als wir ankommen, kommen auch die Zweifel und als wir das Lokal betreten wird klar, dass der Wunsch Vater des Gedankens war. Die Bude erzeugt den Charme der Kantine einer Autowerkstatt. Und als wir gefragt werden, ob Buffet oder nach Karte reicht es mir eigentlich schon. Das Buffet, eine ganz besondere Art der Speisenpräsentation! Ich hasse Buffets, denn ich weigere mich für durchmischtes Essen zu bezahlen und es mir dann auch noch selbst zu holen. Also Karte, aber bitte zuerst die Weinkarte. Und wieder: Sprite! Dann aber auch gleich Buffet. Pizza, Pizza, Pizza, Nudeln, Nudeln, Nudeln, Salat, Salat Salat; wirklich der beste Italiener von Winchester, vermutlich von ganz Kentucky, was sage ich, des ganzen Landes.
Dienstag
Heute scheint wieder die Sonne und wir brechen zu unseren letzten Hikes dieses Urlaubes auf. Erneut geht es in die Red River Gorge, wir passieren den Nada Tunnel und stehen bald auf dem Parkplatz, an dem der Bison Trail (No. 210) beginnt. White Diamond Blazed, also mit weißen Diamanten, wir würden Raute dazu sagen, gekennzeichnet, führt der Weg am Gladie Creek entlang. Die Steigungen halten sich noch in Grenzen, aber es geht immer wieder bergab und bergauf. Nach einer Weile treffen wir auf den Sheltowee Trace Trail, ein Fernwanderweg, der 282 Meilen durch Kentucky und Tennessee führt. Durch den Sorgent Branch geht es nun stetig bergauf und als wir das Ende des Astes erreicht haben, windet sich der Weg zu einer massiven Felswand hoch. Immer an der Wand entlang und dann die letzten Höhenmeter über Treppen, geht es zum Indian Arch. Eine dreiviertel Stunde hat es bis hierher gebraucht. Der sehr schöne Steinbogen erhält sich seine gelb-braunen Farben an der Innenseite, indem immer wieder Gesteinsschichten abblättern. Verdreht spannt sich der Arch hinunter in einen ungefähr 10 Meter hohen Absatz.
Einen hätten wir noch, aber der Hopewell Arch bleibt leider unsichtbar, trotzdem das GPS-Datum genau erreicht wurde. Obwohl wir schweißgebadet eine Ridge weiter absuchten, war es ein sogenannter Schneidergang. So, jetzt aber! Genug gearcht und gewandert. Nach insgesamt 74 Wanderungen quer über den Kontinent ist Schluß. Wir fahren nach Lexington. Nettes Örtchen, hübsche Lokale am Broadway und in der Main Street. Hotels, ein paar Hochhäuser, alte Bauten, - die "Pferdehauptstadt der Welt" ist die zweitgrößte Stadt Kentuckys. Unser Flip-Flop-geeigneter Stadtsparziergang bei herrlichem Sonnenschein tut gut und ist die notwendige Abwechslung nach den vielen Hikes in der grünen Hölle von Kentucky.
Wir haben gelernt und nachdem wir kein gutes Lokal in Winchester erwarten können, landen wir wieder im Applebee's. Das Auto muss gewaschen werden, denn wir werden im letzten Abschnitt unserer Reise noch einen kleinen Städteurlaub machen. Aus ist's mit der Natur und so wandern die Wandersocken und Bergstiefel in luftdicht verschlossenen Plastiktüten.
... Fortsetzung folgt!
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