Sonntag, 13. September
Es war Sonntag Morgen 4 Uhr und wieso hatte ich nichts Passendes, um nach dem Wecker zu werfen? Welcher Volltrottel...ups , das war ja ich. Wieso hab ich den Wecker gestellt? Und dann auf 4 Uhr? Es war doch Sonntag, oder? Oder war heute...? War heute was? Gooooooott, kann denn niemand diesen blöden Wecker ausschalten?
Heute war was. Aber was war es gleich?
Meine Güte, wieso kann ich morgens noch nicht denken?? Was kann es für einen Grund geben, sich Sonntags 4 Uhr wecken zu lassen?
Arbeit isses nicht. Definitiv.
Wohnung putzen?? Du lieber Himmel…NEIN !!! Familientreffen? Gott bewahre..
Dann kann es nur eine Erklärung geben:
U R L A U B
Ach du sch….schon 10 nach 4. Mein Taxi kommt in 30 min. Wieso weckt mich denn keiner ????
Zum Glück brauchte ich nur noch meine Zahnbürste und meine Wohnungsschlüssel einstecken und war abfahrbereit. Trotzdem kam ich mir noch vor, wie im Vollrausch. Alles im Hirn war so nebelig und ich bewegte mich wie auf rohen Eiern durch meine Wohnung. Normal stehe ich nie vor 9 Uhr auf und da muß ich mich schon sehr überwinden.
Und wie ich so versuche, meinem Hirn Leben einzuhauchen, klingelt es auch schon an der Tür. Noch so einer, der nicht schlafen kann…
Hühnchen (anm: Hühnchen ist meine Reisebegleitung und heißt eig. Aysun. Das kann sich aber keiner merken, also hatten wir damals aus Aysun "un" gemacht. Aus "un" "Huhn" und aus "Huhn" "Hühnchen". Alles klar? ), die ebenfalls im Taxi STß, war furchtbar aufgeregt und ist, glaub ich, in Gedanken zum x-ten Male ihr Gepäck durchgegangen, ob sie auch ja nichts vergessen hatte. Im Grunde wars egal, denn jetzt wäre es eh zu spät gewesen.
Unser „Taxifahrer“ meinte nur: Ihr braucht die Kreditkarte, die Tickets und den Reisepass. Alles andere könnt ihr drüben kaufen. SOFERN sie euch reinlassen
Und bis es soweit war, legte uns noch einer 2 Steine in den Weg.
Der erste „lag“ auf der A3 am Mönchhofdreieck und nannte sich „Vollsperrung“. Das wurde uns im Radio zwar schon km weiter vorn mitgeteilt aber welcher Nichthesse weiß schon, wo das Mönchhofdreieck ist?
Wir verließen uns auf unsere inneren Stimmen und hofften, daß es irgendwo hinter dem Airport ist.
Tja…was soll ich sagen?
Machen wirs kurz. Es gab zwar keine ausgeschilderte Umleitung, aber unser Taxifahrer fand einen Weg über die B40.
Immer noch überpünktlich kamen wir am T1 an, verabschiedeten uns und machten uns auf die Suche nach der Halle B und den Schaltern 474-480.
Bei Singapore Airlines kann man zwar 48 Stunden vorher einchecken, Bordkarten werden aber trotzdem erst am Internet-Check-In-Schalter ausgestellt.
Schalter 474 war selbiger und eine nette dunkelhäutige Dame schickte uns, weil 474 besetzt war, an den First-Class-Check-In-Schalter.
DAS nenn ich bevorzugte Behandlung Schade, daß ich die Blicke der anderen in einer 100m Schlange stehenden Passagiere, die „gewöhnlich“ eincheckten, nicht gesehen habe, aber ich denke mir, ihr Neid war uns gewiss
Die nächste Amtshandlung war eine Zigarettenpause fürs Huhn und danach zwei Cappuchino für uns beide.
Unser Abfluggate war C6 und ich zog innerlich schonmal sämtliche Schuhe und Gürtel aus, denn Flüge in die USA sind immer sehr aufwändig..
Komischerweise war dem nicht so. An der ersten Kontrolle wollten sie nur die Bordkarten sehen und haben gefragt, wie lange wir bleiben und drückten uns schonmal den Zollzettel und das W94-Formular in die Hand.
Danach noch schnell durch den Scanner, der nicht gepiepst hat und schwupps, waren wir am Gate.
Reserviert hatte ich für den Hin-, als auch für den Rückflug die letzten beiden Sitze auf der rechten Seite. Ein perfekter Platz. Eine 2er Reihe und noch nah genug am Fenster. 3 Reihen vor uns war der Platz zwischen den Sitzen bis zum Fenster schon ein halber Meter und um etwas sehen zu können, hätte man schon aufstehen müssen.
Der Flieger war schon in die Jahre gekommen und alles wirkte irgendwie schmuddelig. Aber da es eine Singapore-Airline-Maschine war, machte ich mir keine Gedanken.
Was mich allerdings etwas ärgert, ist die Tatsache, daß ich kein Foto der Stewardessen gemacht habe, denn sie sind wirklich das ein oder andere Bild wert.
Ich bin nicht vom anderen Ufer, aber bei den Damen bekommt der Begriff "90-60-90" endlich einen Sinn. Es müssen wirklich harte Einstellungskriterien bei SQ sein, denn dagegen sind Magermodels dick...
Irgendwann startete auch der Flieger und gleich danach kamen schon die netten SQ-Damen mit Kopfhörern vorbei und es ging nun darum, sich mit dem Inseat-Kram vertraut zu machen.
Ich glaub, ich hab bis Irland gebraucht, um es zu begreifen.
Leider gab es nur 2 Filme auf Deutsch ("The Proposal" und „Nachts im Museum2“).
Kurz nach dem Start wurden uns Menükarten ausgeteilt und man konnte beim Frühstück zwischen Reis mit Scampis und Beef mit irgendwas wählen. War ganz ok, aber ich hab auch schon besseres gegessen.
Die Zeit verging rasend schnell und schon bald gab es Essen Teil 2:
Boeuf Stroganoff für mich und Chicken mit Nudeln fürs Huhn. War ganz lecker. Als Nachtisch wurde uns ein Nogger kredenzt und wenig später landeten wir in New York.
Wir waren 8 Stunden in der Luft aber es kam mir vor wie 3 einhalb. Dagegen dauerte das sich aus dem Flieger schälen mal wieder eine halbe Ewigkeit und beim Gang durch die Business Class hatte ich sowas im Kopf wie: wütende Horde Dreckschweine.
Ich kann mich irren, aber je mehr Geld einer für einen Flug ausgibt, umso unordentlicher und chaotischer verläßt er seinen Platz. Das SAH dort vielleicht aus…
Wieso kann man eine gelesene Zeitung nicht einfach auf den Sitz legen? Muß man alle 40 Seiten einzeln auf den Fußboden verstreuen und dann noch darauf rumtrampeln?
Man hatte das Gefühl, dort hätten sich Wildsäue in der Ackerfurche gewälzt.
Widerlich.
Es kam nur die Zeit für den spannendsten Teil der Anreise: der Immigrations Officer-Akt.
Gott sei Dank waren alle 23(!) Schalter besetzt und es dauerte keine 10 min und wir waren dran.
Jaaaa und es kam, wie ich es immer prophezeit hatte: wir wurden getrennt voneinander befragt und dieser Gedanke behagte mir gar nicht, denn Hühnchen spricht kein englisch. Ok, ein yes, no und paar Zahlen versteht sie und sie kann auch freundlich grüßen, aber ich möchte nicht wissen, was sie antwortet, wenn der „nette“ Herr fragt, weshalb sie hier ist und für wie lange.
Wir hatten schon bei den Passagieren vor uns gesehen, daß weder Fingerabdrücke NOCH Augenscans gemacht wurden, was uns ehrlich gesagt immer noch wundert.
Jedenfalls war ich als erste dran und hatte so meine liebe Not, den Mann zu verstehen. Nicht, weil ich so wenig englisch kann, sondern weil er keine Kraft in seine Stimme legte. Nicht mehr viel und ich STß bei ihm auf dem Schoß, soweit mußte ich mich über den Tresen beugen, um ihn zu hören.
Egal, nach 2 min hatte ich es geschafft und fragte ihn noch, ob ich hier stehen bleiben und bei der Übersetzung helfen dürfte.
Er verneinte…
Mir blieb also nichts andere übrig, als Hühnchen ihrem Schicksal zu überlassen und zu beten. Gefühlte 30 min später kam sie schweißgebadet in meine Richtung und man konnte förmlich 2 Tonnen Stein plumpsen hören.
Jetzt hieß es auf das Gepäck warten.
Ich organisierte einen Gepäckwagen für FÜNF DOLLAR und nach weiteren 10 min verließen wir das Gepäckband mit ALL UNSEREM Gepäck und machten uns auf die Suche nach der Airtrain, die uns zu National bringen sollte.
Gegen halb 12 waren wir endlich da und ich freute mich riesig, eine gut bestückte Choiceline vorzufinden.
Doch da lag Stein Nr. 2
Ich übersetze jetzt mal:
"Tut mir leid, ich kann ihnen keinen Mietwagen geben, ihre Buchung ist für 13 Uhr vorgesehen und es ist erst 11:30 Uhr."
WAAAAAAAAAS???
Seit wann spielt die Uhrzeit eine Rolle? Ich bezahle pro Tag und nicht pro Stunde. Außerdem sind es nur 90 min. Was soll der Sch…ß?
Da ich aber auf deutsch besser denken, als auf englisch fluchen konnte, blieb uns nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen.
Wir hockten uns still in eine Ecke und harrten der Dinge die da kommen oder auch nicht kommen.
Zwischendurch bin ich immer mal wieder raus zu den Autos geschlichen und hab mich schonmal umgesehen, welchen Wagen ich mir dann krallen würde.
So richtig glücklich war ich mit der Auswahl nicht, denn es waren zwar die Schilder da, die einem sagen, wo welche Kategorie steht aber sie wurden ignoriert. Der ganze Hof war vollgestellt mit Standart-SUV’s ohne Kennzeichen, die, wie ich später erfuhr, nicht zum vermieten gedacht waren.
Irgendwann waren wir dran, haben 20 Unterschriften geleistet und dem Mann mehrmals gesagt, daß wir die üblichen 1 Mio Extraversicherungen nicht brauchen und er schickte uns im Anschluß daran Richtung Zaun, vor dem 2 Wagen unserer Kategorie standen.
Ein schwarzer Dodge Nitro und ein weißer Nissan Xterra mit Floridakennung.
Letzterer wurde es dann auch, obwohl er schon 26.000 Meilen auf dem Buckel hatte. Der Kofferraum des Dodge war uns eindeutig zu klein gewesen. (Ist ein Kofferraum je groß genug?)
Ca. 14 Uhr fuhren wir vom Hof und unser Navi schickte uns die I678 immer Richtung Norden zum Merritt Pkwy, der als landschaftlich schöne Strecke ausgewiesen war.
Als wir über eine große Brücke fuhren, konnten wir Manhatten sehen und ich zog mir in dem Moment den Unmut Hühnchens zu, denn New York war auf unserer Reise nicht vorgesehen. „Sylvi, ich hasse dich!“ bekam ich die nächsten 5 min ständig zu hören aber es war mir wurscht.
Nach dem Passieren 2er Mautstellen, die 1x 5,50$ und 1x1,75$ von uns verlangten, bogen wir auf die I15 mit dem Namen „Merritt Pkwy“ ab.
Erster Eindruck: sieht aus wie ne Straße durch nen Park.
Ahaaaa….deshalb auch der Name „Parkway“. Verstehe…
Geplant war, und ich hab viel geplant, ab und an anzuhalten und zu knipsen aber irgendwie ging es im Fahrstress unter, denn unser Navi, dem wir bald den Namen „Margret“ gaben (wie Sandra Bullock's Filmname), machte mal wieder das, was es wollte.
Die Gegend war hübsch. Keine Frage. Alles sauber, addrett, der Rasen vor den weißen Holzhäuschen war gestutzt und Patriotismus wurde hier, wie auch in übrigen Teilen des Landes, groß geschrieben.
Ich hatte zuhause Margret schon einige Routen „auswendig“ lernen lassen und wollte sie jetzt abfragen, aber sie nahm es irgendwie zu genau. Immer, wenn wir an einer Zwischenstation ankamen, anders hätte sie uns nie auf dem Merritt-Pkwy gelassen, schickte sie uns von der Straße runter, 2 Meilen zurück, nächste Auffahrt wieder rauf und das ganze von vorn.
Zu kompliziert? Stimmt. Wir wissen bis heute nicht, wieso sie das gemacht hat. Sicher war bei ihr auch erst 4 Uhr morgens.
16 Uhr kamen wir in New Haven an und suchten einen Parkplatz nahe der Elmstreet, in deren Nähe die Yale Uni steht.
Wir warfen 75ct in den Parkautomaten, nur um dann festzustellen, daß ja heute Sonntag ist und niemand Parkgebühr bezahlte. Egal. Sicher ist Sicher.
3 Kreuzungen später standen wir auf dem Old Yale Campus und staunten nicht schlecht. Auf dem Rasen aalten sich die Studenten, spielten Frisbee oder Fußball, hackten Notizen in ihre Laptops oder haschten einfach nur Pigmente.
Es war mir schon fast peinlich meine Videokamera auszupacken und die Szenerie festzuhalten, aber watt mutt datt mutt.
Pitoresk. Das umschreibt es eigentlich perfekt. Uralt und trotzdem wie eine Filmkulisse.
Irgendwas zwischen Mittelalter und…. Campus und herrlich fotogen.
Lange hielten wir uns aber nicht auf, denn es war uns in unseren dicken Pullovern eindeutig zu warm und hunger hatten wir auch.
Was das Wetter angeht, hatten wir es gut erwischt. toi toi toi. Denn die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel auf uns herab und brannte uns schon zig Löcher in unsere viel zu dicken Sachen. Wer denkt denn auch, daß es mitte September in der Gegend noch so heiß ist…?
Unser Tagesziel, das Days Inn, war nach 20 km erreicht, wir checkten ein und schlenderten dann gemütlich über die 5spurige, die vor dem Motel entlang führte, zum Walmart und erledigten unseren ersten Einkauf des Urlaubs. Ich liiieeeebe ja amerikanische Supermärkte. Ich stelle mir dann immer die Frage: was wäre, wenn ich hier Tag für Tag einkaufen müßte? Ob ich nach 2-3 Monaten auch dick und fett wäre? Reicht nicht ein Regalboden mit Salatsoßen?
Muß es eine ganze Supermarktreihe sein? Egal, um was es sich handelt, es gibt unmengen von Varianten von allem. 1 Mio Brotsorten, 3km gekühlte Steaks, Milch in allen nur erdenklichen Arten usw. Mal eben schnell in den Supermarkt flitzen und ein Teil kaufen, wird hier zum Gewaltakt.
Leider gab es keine Kühlboxen in meiner mir bevorzugten Preisklasse, also verließen wir die heiligen Hallen ohne. Wir waren im Osten der USA unterwegs, da sind sicher die Superstores nicht so dünn gesäät, wie im Westen.
In die Mikrowelle auf unserem Zimmer im 2. Stock (macht sich bei 60kg Gepäck hervorragend) warfen wir 3 Fertiggerichte. (1 für mich, 2 fürs Huhn. Ich sach ja: sie frißt und ich wird fett).
Nach einer Dusche gegen 20 Uhr übermannte uns die Müdigkeit, der wir LEIDER nachgaben. Zum Bericht schreiben hatte ich heute keine Lust mehr, aber ich wußte jetzt schon, daß ich spätestens 3 Uhr wach sein würde, was sich auch bestätigte, denn seit 3 Stunden sitze ich hier auf dem Bett und tippe Tagesbericht.
Und was macht in dem Moment unser aller Hühnchen?
Sie schläft natürlich. Ich glaube fast, sie gehört zu der Sorte Mensch, die man nachts stehlen könnte, ohne das sie etwas davon mitbekommt.