Tag 8 – Die Sintflut in der Wave
Der Blick in den Himmel verheißt nichts Gutes. Dunkle Wolken, wohin
das Auge reicht, ab und zu ein Regenschauer. Sollte unsere Wanderung zur
Wave ins Wasser fallen? Um die Permits hatte ich mich seit Jahren
vergeblich bemüht – und jetzt soll uns das Wetter ein Strich durch die
Rechnung machen? Wir überlegen nicht lange und brechen auf. Am
Parktplatz zur Wave-Area herrscht schon so etwas wie Hochbetrieb. Die
ersten Wanderer sind schon aufgebrochen. Ein paar Ranger kontrollieren
noch unsere Permits und machen uns Mut: „Das Wetter ist ziemlich
verrückt, wir haben da draußen immer ein Auge auf euch“. Es kann also
gar nichts schiefgehen.
Den ersten Kilometern des Trails folgen wir problemlos, irgendwann
verwischen sich aber alle Spuren in dem unübersichtlichen Gelände. Der
Regen hat sein Übriges dazu beigetragen. Zu allem Überfluss haben wir
auch die Karte nicht dabei, sondern nur die GPS-Koordinaten. Wir irren
eine Weile umher, bis wir plötzlich Rufe hören. „Helllllooooo“, hallt es
hinter uns. Ob wir auch auf dem Weg zur Wave sind, fragt einer der
beiden Männer. Sie hätten total die Orientierung verloren – und so
setzen wir unsere Wanderung zu viert fort.
Frank und Johan haben zwar eine Karte, die ist nach ein paar heftigen
Regenschauern aber völlig durchnässt und kaum noch zu gebrauchen. Wir
suchen uns den Weg selber – immerhin kennen wir die Richtung. Einige
Male müssen wir umkehren, etwa wenn uns eine Felswand oder ein Abgrund
den Weg versperrt. Die beiden Belgier lästern zwar inzwischen über mein
GPS – etwas anderes haben wir aber nicht. Wir sind eine ziemliche
lustige Truppe und als uns die erste Flashflood den Weg abschneidet,
wissen wir: Zuhause gibt es jedenfalls was zu erzählen. Wie aus dem
Nichts entstehen gewaltige Ströme und tosende Wasserfälle, sobald ein
Platzregen über dem Gebiet niedergeht.
Die Wave erreichen wir dennoch. Inzwischen scheint auch wieder die
Sonne und die Temperaturen sind hochsommerlich. Der erste Eindruck der
Wave: gewaltig! Wir halten erst einmal inne und genießen die Landschaft.
Frank und Johan trauen dem Wetter nicht und kehren bald um. Wir
ziehen weiter zur SecondWave, die mindestens genauso beeindruckend ist
wie das Original. Inzwischen ziehen wieder dunkle Wolken am Horizont
auf. Wir wollen nicht noch einmal schutzlos einem Gewitter ausgeliefert
sein und kehren ebenfalls um. Natürlich bricht über uns ein Unwetter der
schlimmsten Sorte los. Überall schlagen Blitze ein, der Donnert grollt
teuflisch und riesige Wassermassen schießen plötzlich wieder in die
Tiefe.
Am Wire Pass ist Schluss – eine gigantische Flash Flood versperrt uns
den Weg. Wir sitzen hier erst einmal fest. Nach einer guten Stunde ist
das Wasser soweit gesunken, dass wir den Versuch wagen, den reißenden
Strom zu durchqueren. Wir hören das Klackern der Steine, die mit dem
Wasser mitgerissen werden. Aber am Horizont bahnt sich schon das nächste
Unwetter an. Wenn nicht jetzt, dann nie. Das Wasser zerrt an unseren
Beinen, es ist nur schwer, Halt zu finden – aber wir kommen wohlbehalten
auf der anderen Seite an.
Von hier aus erreichen wir den Parkplatz problemlos – und treffen Johan und Frank wieder.
Die House Rock Valley Road ist in beide Richtungen inzwischen unpassierbar geworden – zumindest für PKW.
In Richtung Süden haben wir mit unserem Nissan Pathfinder eine
Chance. Wir lassen Johan und Frank etwas Verpflegung da – mehr als ein
Bud haben die beiden nicht dabei – und versuchen unser Glück.
Eine Straße ist nicht mehr zu erkennen, alles ist überschwemmt. Jetzt
bloß nicht steckenbleiben – die nächste Flashflood würde uns einfach
wegspülen. Mit sachtem Bleifuß pflügen wir uns den Weg durch den Fluss
und erreichen schließlich nach Stunden den rettenden Highway – auf nach
Flagstaff.
Monate später treffen wir Johan und Frank in München. Die beiden
mussten zusammen mit ein paar anderen Gestrandeten die ganze Nacht da
draußen verbringen und waren am Ende doch froh über unser Lunch-Paket :
„It saved our lives“. Von den Rangern, die ja angeblich ein Auge auf uns
geworfen hatten, haben die beiden nichts mehr gesehen.