Mittwoch, 31. August 2016: Die Bootstour auf dem Lake Powell
Ja, heute will ich wieder mehr unternehmen. Gestern Abend ist mir vor dem Einschlafen in den Sinn gekommen, dass ich vor vielen, vielen Jahren – lange vor meiner ersten Südwest-Reise – irgendwo Bilder eines tollen, blauen Sees inmitten einer fantastischen Umgebung mit rötlichen Steinen gesehen habe. Und auf diesem See waren schnittige Boote unterwegs. Freizeitvergnügen pur. Es waren Sehnsuchtsbilder erster Güte, und nie hätte ich mir damals träumen lassen, jemals an diesen magischen Ort zu kommen. Es waren Bilder von der Wahweap Marina, wie ich heute weiss.
Die weitere Umgebung des Lake Powell ist mir nach vielen Südwestreisen recht gut vertraut. Aber auf dem See selber war ich mit Ausnahme einer Überfahrt auf der Fähre von Bullfrog nach Halls Crossing noch nie. Das soll sich heute ändern.
Zum Frühstück fahre ich zum Ranch House Grille. Das Essen dort hat`s mir wirklich angetan. Für viele Stunden gestärkt nehme ich anschliessend die kurze Strecke zur Wahweap Bay unter die Räder. Ich will erstmal vor Ort sondieren; starten soll die Bootstour gegebenenfalls am Nachmittag. Dank des Annual Passes wird mir das Eintreten in die Area ohne weitere Fee ermöglicht. Langsam fahre ich durch das interessante Gelände. Hier wird nebst RV und Camping wirklich jedes nautische Erlebnis angeboten, das man sich denken kann: Hausboote jeglicher Art, Power Boat- und Ski Boat-Rental und vieles mehr.
Es ist noch wenig los an diesem Mittwochmorgen. Mein Ziel ist das flache Gebäude im Wasser, zu dem man auf einem Steg zwischen zwei im Wasser stehenden Fontänen gelangt. Hier werden die Powerboat und Watercraft Rentals abgewickelt. Der Parkplatz am Ufer ist grosszügig angelegt.
Nach kurzer Wartezeit stehe ich am Schalter. Auf meinen Wunsch nach Informationen wird mir ein Flyer ausgehändigt, auf dem alles Wissenswerte zu finden ist. Für mich kommt aus dem vielfältigen Angebot in erster Linie eine mehrstündige Bootstour in Frage. Der Preis? Sagen wir`s mal so: Ein Schiffchen in Konstanz am Bodensee zu mieten wäre definitiv günstiger. Wer es noch genauer wissen will, erfährt auf der Lake Powell Website mehr. Link
Ich bin zufrieden, der Plan nimmt nun konkrete Formen an. Im Moment weiss ich alles, was ich zu wissen brauche. Eile ist nicht vonnöten. Auf der Rückfahrt nach Page gestatte ich mir noch einen Halt auf dem Rastplatz am Lake Shore Drive. Von hier geniesst der Besucher einen schönen Blick zum Glen Canyon Dam und über die letzte Schlaufe des Stausees bis hinauf zur Navajo Generating Station hinter Page.
Im Städtchen zurück, besuche ich erneut meinen sympathischen Bekannten, den Barbier von «Pagilla». Ich erzähle vom Erlebten und biete ihm schliesslich an, Mätteli, Matratze und Schlafsack zu übernehmen. Da ihn das nichts kosten wird, willigt er mit Freude ein. Schliesslich ist alles nur einmal gebraucht. Ich aber bin die Sachen los. Mit Handschlag verabschieden wir uns. Nächstes Ziel ist der Safeway, wo ich mich mit etwas Essen für den Nachmittag ausrüste. Im Hotel suche ich anschliessend die restlichen benötigten Utensilien zusammen. Nun bin ich bereit für das Unternehmen Bootstour auf dem Lake Powell.
Um viertel vor zwölf Uhr fahre ich erneut zur Wahweap Marina. Beim Rental Service ist nun deutlich mehr los als am Morgen. Nach einiger Wartezeit am Schalter kann ich meinen Wunsch anbringen: ein 19`-Powerboat für 4 Stunden. Es ist erfreulicherweise eines vorhanden. Der Angestellte nimmt die Buchung auf. Darauf habe ich mehrere Formulare zu unterschreiben. Zum Mietpreis kommt noch das Tanken dazu. Auch ein Depot von 400 $ wird abgebucht. Nur für den Fall eines Schadens am Boot. Wird mir schon nicht passieren, denke ich. Der Angestellte übergibt mir noch eine Navigationskarte für den Lake Powell und weist mich dann zur Türe, die zu den Booten hinaus führt.
Dort steht ein weiterer Angestellter in gelber Weste, der mich nun instruiert. Mit Blick auf die abgegebene Karte meint er, die sei wirklich nicht gut. Okay, das werde ich ja herausfinden. Eine Probefahrt zusammen ist nicht vorgesehen. Einen Hinweis gibt er mir noch: Ich solle gut auf die Farbe des Wassers achten. Sei sie blau, sei alles im grünen Bereich. Werde sie aber gelb oder bräunlich, sei Vorsicht angebracht. Untiefen könnten das Schiff beschädigen. Das nehme ich relativ gleichmütig zur Kenntnis.
Unterdessen ist die Zeit schon weit fortgeschritten. Es ist viertel vor zwei Uhr. Bereits rinnen Minuten von meinen kostbaren vier Stunden davon. Der Gelbe springt von Bord und tätigt noch eine Aufnahme.
Dann manövriere ich vorsichtig rückwärts aus der Anlegestelle heraus. Im freien Wasser bewege ich den Powerhebel nach vorne. Ich muss mich wirklich wieder an das Gefühl gewöhnen, dass durch meine Bewegungen an Steuerrad und Gashebel nicht unmittelbar Auswirkungen auf die Fahrt des Bootes zu spüren sind.
Nach wenigen Minuten befinde ich mich im freien Wasser vor der Marina. Wohin jetzt, denke ich. Schon zu diesem Zeitpunkt lässt sich feststellen, dass die mitgegebene Karte wirklich keine wesentliche Orientierungshilfe darstellt. Sie ist sowas von ungenau. Und das auf dem stark verzweigten Lake Powell! Also steuere ich einfach Handgelenk mal pi Richtung Castle Rock Cut. Dieser schmale Durchgang beim gleichnamigen Felsen bildet die Öffnung seeaufwärts und muss gefunden werden.
Nur: Ich kann den Kanal am Horizont beim besten Willen nirgends entdecken. Durch den relativ flachen Horizont ist die Fortsetzung der Wasserstrasse jeweils erst einige Dutzend Meter vor der Küste zu erkennen. Das bin ich mir nicht gewohnt, habe ich mir doch meine Kenntnisse im Steuern eines Schiffes vor allem auf Kanälen in Südfrankreich geholt.
Ich bin erleichtert, als sich direkt vor mir eine Unterbrechung des Landhorizontes auftut. Das muss der Cut sein. Irgendwie muss ich den Gashebel schon recht aufgedreht haben, denn eine Frau auf einem entgegenkommenden Hausboot winkt im Kanal aufgeregt mit den Händen. Also runter vom Gas. Das Maschinchen hat schon was drauf: 150 PS treiben das Boot zu einem Maximum Speed von 35-40 mph an, also immerhin 56-64 km/h.
Langsam werde ich mit der Steuerung vertrauter. Nur das flache Land bietet immer noch einige Orientierungsschwierigkeiten. Während ich so dahinrausche, erinnere ich mich, dass ja mein GPSmap dabei ist. Sofort wird es eingeschaltet und tatsächlich: Damit wird die Navigation einfacher. Bis zum Ende der Tour benütze ich von nun an diesen nützlichen Helfer.
Hinter dem Cut schiebe ich den Gashebel wieder kräftig nach vorn.
Das macht Spass. Und der Blick auf die wunderschöne Landschaft bleibt mir auch bei grosser Geschwindigkeit erhalten.
Die Landschaft im Süden des Stausees ähnelt manchmal der des Monument Valleys, wie das folgende Bild zeigt
Im Gewirr der vielen Seitenäste mit gutem Kurs seeaufwärts zu fahren, bleibt anspruchsvoll. Dazu gilt es, die Uhr stets im Blick zu haben. Zwei Stunden sind schon vorbei. Gern möchte ich noch die Padre Bay ansteuern, den Blick hoch hinauf zur Plattform des Alstrom Points werfen.
Das Gebiet der Padre Bay erreiche ich zwar noch. Aber die verbleibende Zeit ist zu kurz, um in die Bucht direkt unter dem Alstrom Point, die Gunsight Bay, hineinzufahren. Wenn ich nicht nach Büroschluss an der Vermietungsstation ankommen will, muss ich jetzt wohl oder übel wenden.
Der Rückweg gestaltet sich einfacher als der Hinweg. Ich bin sogar etwas zu früh in der Wahweap Bay und kann noch einen Schwenker Richtung Glen Canyon Dam wagen. Dann aber wird es endgültig Zeit, zur Tankstelle zu fahren. Die Leute dort warten schon, sie haben bald Feierabend. Ein Tankwart zieht mich heran und betankt das Schiff. Mein Boot muss saufen wie ein Riesentanker. Für 55 $ füllt mir der Wart, ein Student aus Rumänien, Sprit in den Tank! Ob hier wohl alles mit rechten Dingen zugeht?
Während ich an dieser Frage herumstudiere, manövriere ich mein Schiff zurück an die Anlegestelle. Der Gelbe nimmt mich in Empfang, kontrolliert das Boot, schreibt etwas auf ein Formular und schickt mich damit zum Empfang. Ich staune nicht schlecht, als der Angestellte dort sagt, ja, da käme noch ein Betrag zur Reparatur der Schiffsschraube dazu. Ich glaube, ich höre nicht recht. Nach meiner Meinung ist unterwegs rein gar nichts passiert. Schnell begebe ich mich zum Gelben zurück. Ungerührt holt er auf mein Verlangen die Schiffsschraube aus dem Wasser und zeigt mir, dass tatsächlich ein kleines Stück aus einem der drei Propeller herausgebrochen ist. Und weil ich die Schiffsschraube vor Antritt der Fahrt selber intakt gesehen habe, muss ich wohl der Schuldige sein. Na, jetzt kommt mich die ganze Tour doch ziemlich teuer zu stehen, denke ich und verlasse die Vermietungsstation leicht angesäuert.
Um wieder zur Ruhe zu kommen, schalte ich auf der Rückfahrt am gleichen Ort wie am Morgen einen Halt ein. Während die Sonne immer längere Schatten auf das Seeende wirft, esse ich meine Verpflegung. Dazu bin ich nämlich während der ganzen Fahrt nicht gekommen. Dazu kann ich die tolle Landschaft geniessen.
Wie die Sonne ganz verschwunden ist, fahre ich nach Page zum Quality Inn zurück. Endlich konnte ich meinen Traum von früher verwirklichen.
Gruss
Dani