Tag9, 24.07.2015: Arthur von Schmidt Haus - Reißeckhütte
Kurz vor 05 Uhr läutet der Wecker. Heute steht uns die schwierigste Tour bevor, der Reißeck Höhenweg. Eine durchgehend markierte, hochalpine Steiganlage, die den Dösener See mit dem Reißeck-Seenplateau verbindet.
Im Internet findet man u.a. die Alternativnamen:
- Supinationstraum(a)tour
- Knieschänderrunde
- Bild der Frau 5 Pfund in 9 Stunden Schlankheitspfad
- Eins zwei oder drei Weg (ob du wirklich richtig stehst ...)
- 126 Hours Tour
Der Wirt hat gestern noch das Frühstück vorbereitet, wir müssen nur noch die Kaffeemaschine einschalten und das Brot schneiden. Brotzeit dürfen wir auch mitnehmen.
Um 06 geht es dann los. Blick zurück zur Hütte.
Wir müssen hoch zum Seeschartl. Das ist die leichte Einbuchtung auf der rechten Bildseite
Leider verpassen wir den Einstieg und nehmen den alten, nicht mehr gepflegten Weg. Wie wir dann aber erst später feststellen mussten. Zwischen losem Fesgeröll mühen wir uns steil nach oben.
Nach kurzer Zeit ist aber kein richtiger Weg oder Pfad zu sehen, es geht langsam voran. Jeder Schritt muss gut überlegt sein.
Umkehren und nochmal neu starten? Nein, dafür sind wir schon zu weit oben. Ein Abstieg wär bei dem steilen Glelände auch nicht einfach. Der steile Abstieg mit dem schweren Rucksack wäre noch schwieriger und gefährlicher.
Dann sehen wir einen Weg - aber ca. 200m westlich von uns. Na toll. Im oberen Drittel können wir dann auf den richtigen Weg queren. Kurz vor dem Schartl gibt es noch eine kleine Seilversicherte Stelle, die aber nicht schlimm ist. Statt Stunde haben wir bereits 1,75 Stunden benötigt.
Der Weg verläuft jetzt ohne große Steigungen über das weite Blockfeld des Ebeneck.
Die Freude ist nur kurz, die Regenfälle der letzten Tage, haben Spuren hinterlassen. Geröllfelder und Murenabgänge kosten Zeit. Ab und zu muss man auch mit den Händen hin fassen.
Kurz darauf sehen wir eine große Gruppe Gemsen.
Das Gelände verändert sich, Geröll und riesige Gesteinsblöcke bremsen uns aus. Die Blöcke sind teilweise nur mit allen Vieren zu überwinden, jeder Schritt muss gut geprüft und überlegt sein, denn die Steine wackeln ohne Ende. (126 hours lässt grüßen).
Hier sieht man ein steiles Geröllfeld, das wir queren mussten.
Nach 3 Stunden erreichen wir eine Biwak Schachtel. Trotz Anstrengungen ist die Landschaft traumhaft schön hier oben. Wir machen kurz Pause, trinken warmen Tee. Unter uns der Pfaffenberger See.
Über grobes Blockwerk führt der Weg hinauf auf 2.692m zum Kaponigtörl an der Westseite der Tristenspitze. Bevor wir das Törl erreichen müssen wir ein langgezogenes, steiles Altschneefeld überwinden. Das hier auf dem Bild zu sehen ist. Um sich di e Dimensionen vorstellen zu können - die beiden Felsen vor dem See sind in etwa Mannshoch.
Der Anstieg ist sehr anstrengend. Der Schnee ist noch angefroren, also teilweise sehr glatt. Wir verlieren viel Zeit, weil die Markierungen entweder nicht sichtbar unter dem Schnee oder ausgeblichen sind. Ein paar Mal versteigen wir uns deswegen. Die Felsblöcke sind ziemlich groß, teilweise mannshoch und lose, wenn man da im Schnee in ein Felsbrockenloch einbricht, kann man sich übel verletzen. Ein falscher Schritt und man hängt vielleicht irgendwo eingequetscht mit dem Fuß oder noch schlimmer zwischen zwei Felsblöcken fest. Blick zurück vom Schneefeld.
Gegen 11 Uhr sind wir dann am Törl.
Der Weg wechselt auf die Ostseite der Tristenspitze – und ist kaum mehr zu sehen. Die Regefälle der letzten Tage haben Teile des Wegs mitgerissen. Wie der Hüttenwirt gesagt hat, sind wir jetzt am schwierigsten Abschnitt.
Wir mühen uns durch Blockgeröll hoch. Blick zurück auf das Geröllfeld, das wir hochgekommen sind.
Zu allem Übel zieht auch noch dichter Nebel die Ostflanke hoch und erschwert zusätzlich die Sicht. Es geht steil nach oben. Wir versteigen uns, hängen mit den großen, schweren Rücksäcken fest. Wir müssen ein Stück wieder nach unten und weiter ostwärts. Der Puls ist hoch.
Dann nach 30 Minuten sehen wir wieder Markierungen. Gott sei Dank. Wir waren tatsächlich falsch und waren nur knapp 100m unterhalb des Gipfels der 2.930m hohenTristenspitze.
Wir sind jetzt 6 Stunden unterwegs und haben noch nicht mal die Hälfte des Weges. Oh Mann, wenn da so weitergeht wird das ein 15 Stunden Tag!
Der Nebel wird leichter
Über große Steinplatten geht es im auf und ab weiter bis zum Zwenberger Scharte auf 2.646m.
Blick zurück auf die Tristenspitze, der Nebel hängt dort immer noch fest. Dort sind wir fast ganz oben gewesen
Von der Zwanberger Scharte geht es nochmal über Felsgeröll steil nach unten.
Dann ändert sich die Landschaft – nach 7,5 Stunden geht es über gut ausgebaute Pfade mäßig steil Richtung Hochalmsee und Mooshütte.
Wir werden bereits erwartet und haben für eine kurze Zeit ein paar Wegbegleiter.
30 Minuten später sind wir am Hochalmsee auf 2.306m und machen Pause. Ab jetzt kommen wir gut voran. Noch einmal geht es hoch - zum Riekentörl auf 2.525m. Ab hier geht es dann nur noch 1 ½ Stunden bergab.
Vorbei an den Stauseen erreichen wir dann gegen 17.30 die Reißeckhütte direkt an der Staumauer.
Die Polar Uhr zeigt für die heutige Tour 4.044 verbrauchte Kalorien an. Wir sind ziemlich geschlaucht und trinken erstmal ein kühles Bier. Laut Beschilderung sollte die Tour eine rote Tour sein – das ist sie definitiv nicht.
Wir waren jetzt gut 11 Stunden unterwegs und haben keinen Menschen gesehen oder getroffen. Auf der Reißeckhütte sind wir die einzigen Gäste, nur der Hüttenwirt ist da. Grund dafür: die Reißeckhöhenbahn wird gerade hergerichtet. Der Anstieg aus dem Tal ist weit - mehrere Stunden benötigt man. Daher fehlen die Tagesgäste. Wir haben Glück, dass die Hütte überhaupt offen hat. Nicht auszudenken, wenn man nach einer 11 Stunden Tour hier ankommt und dann ist geschlossen. Auch hier finden wir im Hüttenbuch für dieses Jahr nur 1 Eintrag über die Tour, die wir heute gemacht haben. Der Hüttenwirt bestätigt dies.
Da wir die einzigen Gäste sind können wir uns den Schlafplatz aussuchen. Eine warme Dusche, noch ein frisches Bier und eine Riesenportion Spaghetti Bolognese – was will man mehr. Wir sitzen noch ein wenig draussen und lassen den Tag Revue passieren.
Alles in allem ein toller Tag, zwar anstrengend aber trotzdem einmalig. Kurz darauf zieht es zu und es fängt wieder an zu regnen. Als Nachtisch verdrücken wir noch eine Schokolade. Und als Betthupferl gibt es noch ein Zirbenschnapserl.
Gegen 21. Uhr schlafen wir tief und fest.
Tourlänge: 17,1 km
Höhenmeter: 920 Aufstieg und Abstieg