Die Vorgeschichte
12/05/2015 - Wir sitzen mit Nick Gerlich, dem wir bei dieser Gelegenheit zum erstmal persönlich begegnet sind, im „Crush“ in Amarillo. Nick hatte die Wine Bar & Grill als Treffpunkt vorgeschlagen. Und hier entstand die Idee, ein fotografisches Buch über die Route 66 zu machen und es in Amerika zu veröffentlichen. Nick war gleich begeistert. Er wird den Text schreiben, Ellen wird fotografieren - in schwarz-weiß. Das ist mal etwas anders.
Die Suche nach einem Verlag verlief anfangs etwas schleppend - für Ausländer ist es nicht gerade leicht, in den USA einen Verleger zu finden. Die Kooperation mit Nick als Amerikaner hat schließlich zum Erfolg geführt. Die „University of Oklahoma Press“ ist es geworden und das Projekt konnte erfolgreich umgesetzt werden. „A Matter of Time - Route 66 Through the Lense of Change“ ist Mitte 2019 in Amerika erschienen.
American Road Magazin:
Panhandle Magazin:
Kingman The Miner:
Und es gab sogar einen TV-Auftritt in Texas.
Und wenn man mal „Blut geleckt“ hat … na ja, es wäre natürlich toll, auch ein deutschsprachiges Buch zu diesem Thema zu machen. Es musste ein Konzept her - was schnell gefunden war - und außerdem würden wir ja eh rüber fliegen, um bei der Promotion von „A Matter of Time“ zu helfen. Warum also nicht die Dinge verbinden und gleichzeitig Stoff und Bilder für ein deutsches Buch zu sammeln. Kein schlechter Plan eigentlich. Dass das Ganze keine Urlaubsreise werden würde, stand von vorne herein fest. Das war uns also völlig klar. Wir hatten volle vier Wochen eingeplant - und die haben wir auch gebraucht.
Diesmal sollten die Menschen an der Route 66 eine Rolle spielen. Und es sollte in Farbe sein. Denn die Route 66 ist ja auch bunt … Neons, Landschaften, Menschen aller Coleur, Americana … alles bunt. Also war klar, dass es Farbbilder werden. Jetzt galt es, diese Menschen zu finden und für das Projekt zu gewinnen. Zum Glück gab es schon einige Kontakte, die wir teilweise nutzen konnten. Aber es sollten ja auch Menschen dabei sein, die keiner kennt - ganz normale Leute wie du und ich. Die Mischung aus Beidem sollte es sein. Nick konnte da einiges bewirken. In anderen Fällen wurde improvisiert und die entsprechenden Personen direkt vom Projekt überzeugt. Wir haben keine einzige Ablehnung bekommen, alle, die wir gefragt haben, waren gerne dabei. Amerika ist da um einiges „lockerer“, wie wir alle wissen.
Natürlich wussten wir vor Beginn der Reise nicht, wie das alles dann aussehen würde. Wir wollten uns überraschen lassen. Im Nachhinein kann man sagen, dass alles wunderbar gelaufen ist. Natürlich gehören zu so einem Projekt auch Bilder von der Route 66, von der Weite des Landes, von der damit verbundenen Nostalgie, von den kleinen und großen Städten entlang des Weges. Auch dies ist gelungen.
Am Ende wird dies das Ergebnis sein:
Machen wir uns also auf die lange Reise - viele Meilen liegen vor uns. Und viele Begegnungen. Es ist der 27. September 2019.
27. September 2019 - Es geht los.
Zum ersten Mal ist unser Zielflughafen Detroit. Das hatte „buchungstechnische“ Gründe. Chicago wollen wir auf dieser Tour sowieso auslassen, also macht es kaum einen Unterschied, wo wir landen - dachten wir. Anfangs läuft alles wie geschmiert. Immigration total easy und schnell. Auto bei Alamo in der Choice Lane - auch kein Problem. Laut Plan haben wir jetzt eine vierstündige Fahrt zu unserem Ziel vor uns: Das Best Western in Joliet, Illinois - an der Route 66.
Wetter in Detroit: kühl, windig, bewölkt. Also alles gut. Allerdings ändert sich das nach einer guten Stunde Fahrt - es beginnt zu regnen. Wir befinden uns auf der Interstate 94, die uns südlich an Chicago vorbei bringen wird (ab dort heißt sie I-80). Es herrscht mordsmäßiger Verkehr, es ist Freitag Nachmittag. Kein Wunder im Einzugsbereich der großen Städte. Trucks, Trucks und noch mehr Trucks um uns herum. Und dann kracht es vom Himmel. Der Regen wird stärker, die Gewitter immer heftiger. Vor uns leuchten die roten Bremslichter. Der erste Stau. Wir stehen. Und stehen. Dann Schritttempo, dann mal wieder schneller. Inzwischen schaffen die Scheibenwischer kaum noch die Wasserfälle von oben. Starkregen sagt man wohl dazu. Manchmal ist unser kleiner SUV regelrecht eingekeilt zwischen den dicken Trucks - vor uns, hinter uns, neben uns. Dass Ganze wird zu einem Geduldsspiel. Der nächste Stau. Wo sind wir eigentlich? Irgendwo in der Nähe der Grenze zu Illinois. Zum Glück kennt sich Agathe ganz gut aus - das ist unser Navi, das wir von zu Hause mitgebracht haben. Irgendwann wird’s uns zuviel zwischen all den Monster-Trucks, die uns zusätzlich die Sicht rauben. Wir versuchen, den Stau zu umfahren, also runter von der Interstate, rechts blinken und uns irgendwie zwischen den Trucks bis zur rechten Spur durchquetschen. Keine Ahnung wo genau das war. Agathe meint, wir sparen eine halbe Stunde, wenn wir hier rausfahren. Leider hat das Navi die Rechnung ohne die immer noch vom Himmel fallenden Wassermassen gemacht. Die Straßen durch diese Vorstädte sind stellenweise total überflutet. Das amerikanische Straßen-Drainage-System lässt grüßen. Außerdem sieht die Gegend nicht gerade Vertrauen erweckend aus. Es ist inzwischen stockdunkel. Das war wohl nix. Wir umschiffen - im wahrsten Sinne des Wortes - gefühlte 100 Miniatur-Seen und Teiche. Und nicht, dass hier weniger Verkehr wäre. Weit gefehlt. Also Nerven behalten und die nächste Interstate Auffahrt nicht verpassen. Wir finden sie - und stehen im Stau! Okay, es soll nicht sein. Die Fahrt wird etwas länger dauern. Irgendwo in der Nähe von Gary steht ein Auto am Straßenrand - voll mit Einschusslöchern. Rote und blaue Lichter überall. Na bitte, Chicago at its best. Weiterfahren, es gibt nichts zu sehen. Am nächsten Morgen in den TV Nachrichten begegnen wir dem zerschossenen Auto dann wieder. Näheres erübrigt sich. Der Regen entschließt sich zu etwas mehr Zurückhaltung, man kann wieder was sehen. Langsam nähern wir uns Joliet. Nach fast sieben Stunden. Wir sind nicht unfroh, das Best Western am späten Abend zu erreichen. Draußen pladdert es weiter. Sandsäcke haben sie in der Lobby unter den Fenstern liegen. „It’s raining, you know.“ Die nette Mitarbeiterin ist voller Mitleid mit uns. Aber es ist geschafft. Wir haben das Tagesziel erreicht. Aber wie! Kann nur besser werden.
Ach ja, wir haben glatt vergessen, das Ganze im Bild festzuhalten. Leider. Aber danach war uns während dieser Stunden nun mal gar nicht. Es reicht noch gerade für ein schnelles Foto aus dem Motel-Fenster auf unser pudelnasses Auto. Alles gut überstanden.