Old England - Mostly Sunny Roads to the Past - Session 3 - Unterwegs in England und Wales

Wir verlassen Newbury und das Wolkenband, welches sich über Newbury geschoben hat, nachdem wir unsere Lockertour am Kanal beendet hatten. Auf der Fahrt nach Warwick verschwinden die Wolken gänzlich und so erreichen wir Warwick am Ufer des Avon bei knallblauen Abendhimmel. Durch ein Tor fahren wir zum Parkplatz des Lord Leycester Hotels. Ein fetter Parkautomat mit überhöhten Preisen fesselt meinen Blick. Wir müssen doch nicht? Nein müssen wir nicht, teilt man uns am Empfang mit. Da das Hotel visa vie von der Burg liegt, dient er nur der Abschreckung für nicht Hotelgäste.
Mit Hilfe des altertümlich Fahrstuhls der im Wettstreit liegt mit dem Alter der Burg, schaffen wir unseren Krempel auf unser Zimmer, welches für die nächsten 2 Tage unser heimeliges Zuhause seien wird. Immerhin bleibt noch soviel Fußboden frei, um ohne Hindernislauf zum Bad und zur Zimmertür zu gelangen und im Bad ist auch noch eine Badewanne. Alles ist gut. Das Hotel ist alt. OK, weniger das Hotel, sondern das Gemäuer welches das Hotel beherbergt, es stammt aus dem frühen 16. Jh.

Zum Abhängen ist bei dem Wetter keine Zeit und auch im Magen macht sich schon wieder gähnende Leere breit. Machen wir also noch einen Stadtbummel durch eine Stadt, in der J.R.R. Tolkien geheiratet hat und die ihm die Vorlage lieferte für zwei Orte in seinem Roman. Edoras ist eine Beschreibung der früheren Stadt Warwick und Minas Tirith ähnelt Warwick Castle. Zudem gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem Guy of Warwick und Herr der Ringe.

Von Warwicks mittelalterlichen Stadtmauer hat sich nur das Osttor, auf dem obigem Bild, und das Westtor in unsere Zeit retten können. Die Stadt selber ist im Großen Feuer von 1694 abgebrannt, so das nun die meisten Häuser aus dem 17. und 18. Jh. stammen. In der Nacht des 5. September 1694 um 2 Uhr brach das Feuer aus, durch eine Fackel die durch die High Street getragen wurde. Es fraß sich weiter durch die Castle Road, Market Street und High Street bis es von den einen halben Meter dicken Steinmauern unseres Hotels aus dem frühen 16. Jh, aufgehalten wurde. Mill Street mit ihren Häusern aus der Tudorzeit ist eine der wenigen Straßenzüge, die das Feuer nicht zerstört hat.

Gegründet wurde die Stadt 914 von Ethelfleda(Æthelflæd ), die Schwester des Königs von Mercia, als Burg gegen dänische Invasoren. Mercia ist eines der 8 früheren angelsächsischen Königreiche, und Ethelfleda ist nicht nur Schwester des Königs, sondern auch Tochter von Alfred, den sie später Alfred dem Großen nennen werden. Noch ist er der König der Westsachsen, später wird er die kleinen Königreiche einen im Kampf gegen die Dänen und König der Angelsachsen werden. 100 Jahre nach ihrer Gründung wird die Burh Warwick dann auch von den Dänen überfallen und nieder gebrannt.

Über dem Westtor der Stadt erhebt sich die St. James Chapel.

Mit einem Krankenhaus im heutigen Sinn hat der Ausdruck Hospital nichts zu tun. 1571 kaufte Lord Leyester, Robert Dudley, platonischer Freund und Favorit von Elizabeth I., den Komplex und gründete das Hospital, als eine wohltätige Unterkunft für Veteranen und noch heute wohnen dort pensionierte Angehörige der britischen Streitkräfte. Zu dem Komplex gehört neben der St. James Chapel (1126), auch die Guildhall (1450) und die Great Hall. Ein Galadinner, abgehalten für König James I. in der Great Hall, verschuldete die Stadt Warwick für über 10 Jahre.

Wir schauen ob wir zur Burg vordringen können, um schon einmal einen Eindruck zu bekommen, das ist aber nicht möglich

Von der St Mary Church ist nur noch die Krypta normannischen Ursprungs. 1123 vom 2. Earl of Warwick erbaut, wurde sie im 14. Jh. von Thomas de Beauchamp (sprich Beecham) in den engl. gothischen Stil umgebaut. In seinem letzten Willen verfügte er den Einbau der Chapel of our Lady, umgangssprachlich die Beauchamp Chapel. Sie kostete die für die damalige Zeit enorme Summe von 2000 Pfund und ihre Ausführung benötigte mehr als 20 Jahre! Neben den Beauchamps fand hier auch Robert Dudley, Earl of Leycester, und William Parr, der Bruder von Catherine Parr (6. Frau Henry VIII) ihre letzte Ruhestätte. Der erste Thomas Beauchamp 11. Earl of Warwick war Gründungsmitglied des Hosenbandordens. Er ist den legendären Rittern der Tafelrunde nachempfunden. Mit dem order of the garter versuchte Edward III. die wichtigsten Ritter des Reiches fester an sich zu binden.

Vor dem Westtor finden wir schließlich einen kleinen Imbiss für den kleinen Hunger und auf dem Rückweg zum Hotel auch einen Ask Italian. Ok, dann ist das Mittagessen morgen ja auch schon mal gebongt.

Zurück im Hotel erzählt mir der Nachtportier noch etwas von unterirdischen Gängen, die vom Schloß zur Stadt hinunterführen, einer soll im Punsh Bowl Pub enden. Tales from Mystery and Imagination. Und er schlägt vor morgen, bevor die Burg öffnet in den Mill Garden unterhalb der Burg und direkt am Avon zu gehen. Vermutlich gehört das seiner Tante, Mutter oder Oma, wir gehen dennoch hin. Morgen.

Auf der obigen Karte ist unser Hotel mit dem Parkplatz zu sehen. Vielleicht kann man sich nun ein Bild machen, wie lang die Durchfahrt durch das Haus mit dem Auto ist und wie verwinkelt. Egal, heute brauchen wir kein Auto. Aber einen geschmeidigen Scrollfinger.

Da das Castle erst um 10Uhr öffnet, was nach MEZ für uns ja schon 11Uhr ist, nutzen wir die Zeit um den Tipp zu folgen, uns den Garten unten am Avon anzuschauen. Ist auf jeden Fall eine Morgenlocation. Der Eingang zum Garten liegt am Ende der Mill Street zu Füßen des Caesar Towers. Der Eintritt kostet £2 pro Person und der Garten ist von 9-18 Uhr geöffnet.

Der Garten interessiert mich weniger, wir sind zum einem hier wegen dem Blick auf das Castle und auf die Ruine der mittelalterlichen Brücke aus dem 14. Jh. Bevor hier eine Brücke gebaut wurde, war hier eine Furt über den Avon, der Fluss muss also in der Zeit recht breit und flach gewesen sein. Nach dem Bau der neuen, breiteren Brücke über den Avon, wurde die mittelalterliche Brücke in den 1780er teilweise abgebrochen und in eine pittoreske Ruine verwandelt.

Ein letzter Blick auf den Caesar Tower, der nach französischem Vorbild als Wohnturm erbaut wurde. Jedes Stockwerk enthält ein Steingewölbe und im Verlies des Turms wurden nach einer örtlichen Legende Gefangene aus der Schlacht von Poitiers (1356) untergebracht. Wie das mit Legenden so ist gibt es auch andere Deutungen, nämlich die, das der Turm durch die Lösegelder den Bau des Turms erst finanzierten.

Für die Interessierten:
Nach der Schlacht von Crécy (1346), war die Schlacht von Poitiers (1356) die zweite von drei großen englischen Siegen im 100jährigen Krieg. In ihrem Verlauf geriet der französische König in Gefangenschaft und im Frieden von 1360 trat Frankreich das gesamte Königreich südlich der Loire an England ab. Wenn man so will war die Schlacht von Poitiers eine Wiederholung der von Crécy, wieder wurde durch List und Tücke Strategie und Taktik ein zahlenmäßig überlegener Gegner besiegt, mit sehr geringen eigenen Verlusten.

Nun ist endlich die Zeit gekommen um zum Castle zu gehen. Wir betreten die Burg durch dieses Tor. Es verzögert sich allerdings ein wenig, weil ich erst warten muss bis die Alten Herren ihre Route besprochen haben und das Schussfeld freigeben.

Durch diesen Hohlweg gelangt man allerdings nur zum Ticketoffice der Burg, aber schön ist er. Wer die Burg nicht besichtigen will, hat hier morgens allerdings noch einen schönen Fotoblick auf das Eingangstor der Burg, dem imposantesten Teil der Anlage.

Auch mit dem OVP von English Heritage bekommen wir 50% Ermäßigung auf den Eintritt. Allerdings nicht auf das Verlies. Für die Dungeon Tour muss man extra zahlen und zudem eine Uhrzeit wählen für die Tour, wir wählen gleich die 1. Tour. Ich gebe mich der Hoffnung einer ausgiebigen Kellertour hin, da wusste ich noch nicht, das wir gleich in einem mittelalterlichen Disneyland landen. Wir sind noch zu früh, es werden zwar schon Tickets verkauft, aber das Eingangstor ist noch zu.

So fällt mir ein Schild in die Augen:
Filmcrew on Location. Wer nicht gefilmt werden will, verschwinde aus dem Bild oder komme morgen wieder. Da ich mit meiner dicken Berta und Stativ unterwegs bin, verspricht das ein schöner Tag zu werden. Und so ist es auch, jeder hält mich für ein Teil der Crew und ich muss fast nie warten, weil mir jemand vor der Linse herum hüpft, besonders später in den Innenräumen.

Der erste Anblick kommt etwas farblos rüber, feinstes Gegenlicht. Sehr schade, da die Nordost Seite die Schokoladenseite des Castles ist.

1088 wurde Warwick als Lehen an die Familie Familien Beaumont gegeben, mit dem Auftrag ein Motte und Bailey Castle (Turmhügelburg) zu errichten. Die anfängliche Burg aus Holz am Ort der alten Sachsenburg, wurde in der Zeit Henry II. durch eine steinerne Burg ersetzt. 900 Jahre lang gehörte die Burg den Grafen von Warwick, unterbrochen von 4 Perioden wo sie Krongut unter 7 verschiedenen englischen Herrschern war, immer dann, wenn die Linie eines Adelsgeschlechts ausstarb. 6 Familien (Beaumont, Beauchamp, Neville, Plantagenet, Dudley und Greville) gehörte im Lauf der Geschichte die Burg. Leser der historischen Romane von Rebecca Gable werden die Namen allesamt bekannt vorkommen. Seit der ersten Gründung der Grafschaft beinhaltete der Titel ausdrücklich die Vererbung auch über die weibliche Linie, so dass die Burg 3x auch einer Frau bzw. Mädchen gehörte. Da die Grevilles im englischen Bürgerkrieg zu den Parlamentariern gehörten, wurde Warwick nicht zerstört.

Nachdem die nordöstliche Ringmauer im 2. Aufstand der Barone geschleift wurde, und der Titel von den Beaumonts auf die Beauchamps überging, erneuerte der 11. Earl, Thomas de Beauchamp, die Ringmauer und fügte die beiden Wohntürme Caesar und Guy Tower, sowie Barbakane hinzu. Eine Barbakane ist eine Doppeltoranlage mit einem von Wehrgängen umschlossenen Innenhof, denn das Tor ist ja der Schwachpunkt einer jeden Burg.

Spätestens nach diesem Schild und des "Stimmungsmachers" in Form unseres "Guide" wusste ich, das wird eine Tour ala Disneyland. Mitgehangen mitgefangen. Ich kann jetzt nicht einmal sagen, was für Kinder, denn die 3D Enthauptung mit Blutspritzern ins Publikum (das war dann klares Wasser) ist nichts für zartbesaitete Kinderseelen, was man sehr geräuschvoll vernehmen konnte. Zu einem wahren Tumult führte dann der Angriff der Killermäuse. Die Bank, wo man Platz nehmen sollte besteht wohl aus Kunstleder, in der man eine Kugel durchziehen konnte. Das führt zu dem Eindruck das etwas an dem Hinterteil knabbert. Fand ich ausgesprochen lustig und war mein Highlight der Tour. Ansonsten Zeit- und Geldverschwendung.

Wieder draußen in der Freiheit, auf zur Motte.
Eine Motte in der Gestalt eines Gartens haben wir noch nie gesehen. Als die Grevilles das Castle bekamen, war die Zeit der Burgen Geschichte. Entweder wurden sie aufgegeben oder wie im Fall von Warwick in eine komfortable Residenz des Adels umgewandelt. Dazu gehörten formale Gärten und später die Landschaftsgärten. Fulke Greville, der die verfallene Burg von König James I. verliehen bekam, lies die Burgmotte landschaftsgärtnerisch bearbeiten. Der Blick von dort oben auf das Castle ist einfach grandios.

Wir schlendern nun durch das Tor am Watergatetower zum Avon hinunter. Eine hölzerne Brücke führt über den Fluss, da hätte man sich den Eintritt für den Garten fast sparen können. Hier lag einst der von Francis Greville 1749 in Auftrag gegebene Landschaftspark. Der Auftrag dazu ging an Lancelot „Capability“ Brown . Brown war zu dieser Zeit immer noch Leiter der Gärtner in Stowe und musste sich den Ruf als Hauptvertreter des englischen Landschaftsgarten noch verdienen. Brown vollzog den Übergang der geometrischen Schlossparkarchitektur zu den großflächigen Landschaftsgärten. 2,8 Quadratkilometer war der Garten einst groß. Die riesigen Grassflächen wurden durch Vieh klein gehalten, Dots (einzelne Bäume) und Clumps (Baumgruppen) erzeugten einen natürlichen malerischen Eindruck. Dummerweise wachsen Bäume immer so langsam, so das die Auftraggeber das Ergebnis selten zu Lebzeiten zu Gesicht bekommen. Baumsetzmaschinen waren noch nicht erfunden. Um die Tiere vom eigentlichen Landgut fern zu halten, nutze Brown eine als Ha-Ha bekannte Grabenkonstruktion, eine Erfindung des französischen Barocks, die 1695 erstmals nach England kam.